POTSDAM (dpa-AFX) - Zwei Wochen vor Beginn der Regierungs-Sondierungen von Union und SPD stößt eine Neuauflage der großen Koalition bei zwei SPD-Ministerpräsidenten auf Skepsis. Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke sagte der Deutschen Presse-Agentur, ein solches Bündnis sei nur möglich, wenn es eine klare sozialdemokratische Handschrift gebe, nicht nur in den Sondierungen, sondern auch in einem späteren Koalitionsvertrag. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer bekräftigte in der "Bild am Sonntag", sie bevorzuge die Duldung einer Minderheitsregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, warnte vor zu großer Eile bei der Regierungsbildung.
Union und SPD wollen mit ihren Sondierungen zur Bildung einer Regierung am 7. Januar beginnen. Die SPD betont, dass daraus nicht zwangläufig eine weitere große Koalition werden muss. Man spreche auch über andere Möglichkeiten - etwa indem die SPD eine Regierung ohne eigene Mehrheit duldet. Merkel lehnt solche Modelle ab.
Es werde jetzt zwar ergebnisoffene Gespräche seiner Partei mit der Union geben, am Ende müssten dann aber die SPD-Mitglieder entscheiden, sagte Woidke der dpa. "Es wird in der SPD schwierig sein, eine Mehrheit für eine erneute Koalition mit der Union zu finden." Die Chance dafür bezifferte er auf "50 zu 50".
Dreyer sagte der "BamS", es sei nun zu klären, welche Inhalte mit CDU und CSU machbar seien. "Und reichen diese Inhalte wirklich, um zu einer verbindlichen Koalition mit CDU/CSU zu kommen? Wenn nicht, dann sieht sich die SPD trotzdem in der Verpflichtung, für eine stabile Regierung mitzusorgen. Dann wäre das mit einer Minderheitsregierung möglich."
Die SPD hat für eine mögliche neue GroKo elf Kernthemen aufgestellt. Dazu zählt die Aufhebung des sogenannten Kooperationsverbotes, das dem Bund untersagt, Länder und Gemeinden im Bildungsbereich finanziell zu unterstützen. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil in der "Bild am Sonntag": "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Unterstützung der SPD für eine neue Bundesregierung gibt, ohne dass wir das Kooperationsverbot abschaffen."
DIHK-Präsident Schweitzer rief dazu auf, den Parteien Zeit einzuräumen, um eine Vertrauensbasis auszuloten. "Aus Sicht der Wirtschaft brauchen wir nicht irgendeine Regierung, sondern eine stabile Regierung mit einem wirtschaftlich zukunftsweisenden Programm." Im Unterschied zu Schweitzer hatten Vertreter anderer Wirtschaftsverbände in den vergangenen Tagen die schleppende Regierungsbildung ungehalten kommentiert und mehr Tempo angemahnt.
Scheitern die Gespräche von Union und SPD oder ist der Widerstand gegen eine GroKo in der SPD zu groß, kommt wieder Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ins Spiel. Er könnte Union, Grüne und FDP noch einmal verpflichten, einen Neuanlauf zu versuchen. Da FDP-Chef Christian Lindner diesem in dieser Wahlperiode aber eine Absage erteilt hat, ist das unwahrscheinlich. Der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte er: "Selbstverständlich will Frau Merkel nach zwölf Jahren im Amt nicht in Widerspruch zum eigenen Handeln geraten. Wir wollen aber Teil eines Erneuerungsprojekts werden."
Sollten alle Bemühungen zur Regierungsbildung scheitern, könnte es zu einer Neuwahl kommen. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die "Bild am Sonntag" legte die Union zuletzt in der Wählergunst auf 33 Prozent zu (+1 Prozentpunkt). Die SPD verlor dagegen im Vergleich zur Vorwoche einen Prozentpunkt und lag bei 21 Prozent. Die AfD kam auf 12 Prozent (-1), die Grünen auf 11 Prozent (unverändert), die Linke landete bei 10 Prozent (+1) und die FDP verharrte bei 8 Prozent./rgo/seb/DP/he
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