Bielefeld (ots) - In kaum einem anderen Politikfeld prallen ideologische und wirtschaftliche Interessen so heftig aneinander wie im Gesundheitswesen. Das macht rational angemessene Entscheidungen nahezu unmöglich. So könnte auch die mögliche große Koalition an diesem Konflikt scheitern. Die SPD beharrt auf einem Ende der Zwei-Klassen-Medizin. Die bürgerlichen Parteien wollen den Status Quo mit gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen erhalten. Dabei muss das Gesundheitssystem über kurz oder lang den gesellschaftlichen Veränderungen angepasst werden. Für eine Bürgerversicherung, in die auch die Selbstständigen und Beamte Beiträge einzahlen müssten, spricht die große Ungerechtigkeit bei der Verteilung der medizinischen Leistungen. Privatpatienten bekommen schneller Termine beim Facharzt oder erhalten im Krankenhaus Einzelzimmer und Besuch vom Chefarzt. Diese Ungleichheit zu beseitigen ist ein berechtigtes Anliegen, dass allerdings zu einer ideologischen Grundhaltung geworden ist. Den Verfechtern geht es in erster Linie um die Finanzierung eines Gesundheitssystems für alle durch eine stärkere Beteiligung der Besserverdienenden an der Finanzierung. Die Gegner treiben unterschiedliche Motive. Ärzte fürchten um die üppige Vergütung, die sie für die Behandlung von Privatpatienten erhalten, Beamte um die großzügige Alimentierung ihrer Gesundheitsversorgung durch die Beihilfe ihrer Arbeitgeber. Liberale sorgen sich um den Wettbewerb im Gesundheitswesen und malen das Szenario einer Einheitskasse an die Wand, die bei steigenden Ausgaben Leistungen einschränkt. Wirklich durch Fakten belegbar ist diese Sorge nicht. Es gibt in anderen Ländern Mischformen, die alle in die Finanzierung einbeziehen, sozial ausgewogen sind und trotzdem einen Wettbewerb zwischen Leistungsanbietern ermöglichen. Auch hat die medizinische Versorgung nicht gelitten. So haben die Niederlande zum Beispiel 2006 eine Pflichtversicherung eingeführt, die alle Bürger dieselbe Prämie kostet. Geringverdiener erhalten einen Zuschuss. Diese Police garantiert die medizinische Grundversorgung. Wer bessere Leistungen beanspruchen will, muss eine private Zusatzversicherung abschließen. Die Schweiz hat ebenfalls eine Art Bürgerversicherung, ohne dass es Klagen über die Versorgungsqualität gibt. Es geht also, wenn man, statt auf Besitzstandswahrer oder Ideologen zu hören, unvoreingenommen nach besseren Wegen sucht.
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