Hagen (ots) - Das kategorische Nein verwandelte sich zuerst in ein zögerliches Vielleicht, jetzt ist es ein klares Ja: Die SPD-Spitze stimmt einer Großen Koalition nun doch zu. Veranlasst hat die 180-Grad-Kehrtwende ein Gemisch aus staatspolitischer Verantwortung, Pragmatismus, der Angst, bei Neuwahlen noch mehr Stimmen zu verlieren, sowie wohl auch die Befürchtung, ohne Regierungsbeteiligung Macht und Posten aufgeben zu müssen. Für Martin Schulz fängt die Arbeit jetzt erst an. Der SPD-Vorsitzende muss die Parteibasis davon überzeugen, dass der Kurs, den er selbst leichtfertig und übereilt zunächst am Wahlabend und dann nach dem Scheitern von Jamaika vorgegeben hatte, der völlig falsche ist. Schulz ist ein guter Redner, aber das nötige Überzeugungs-Charisma fehlt ihm (noch). Nicht wenige in der Partei werfen ihm eine dilettantische Arbeit vor, weil er die Partei strategisch in eine Sackgasse steuerte. Kernforderungen geopfert Zudem musste die SPD bei den Sondierungen einige Kernforderungen opfern: Die Bürgerversicherung kommt nicht, Steuererhöhungen für Reiche wird es ebenfalls nicht geben. Das werden vor allem linke Sozialdemokraten als Niederlage für die soziale Gerechtigkeit verbuchen. Ob die angestrebten Änderungen bei der Finanzierung der Krankenversicherung, beim Kindergeld, der Bildung und der Pflege dieses Manko kompensieren können, hängt vor allem davon ab, wie Schulz und Co. sich und ihre Themen in den kommenden Tagen verkaufen. Den 28-seitigen Sondierungs-Wunschzettel als "hervorragend" zu bezeichnen, ist jedenfalls nicht der richtige Weg. Das kauft ihm niemand ab. Sicher ist die neue Auflage der Großen Koalition jedenfalls noch lange nicht. Der Sonderparteitag und die Mitgliederbefragung könnten dem Parteichef noch gehörig um die Ohren fliegen - was dann auch das Ende seiner dann kurzen Karriere an der SPD-Spitze zur Folge haben dürfte. Nach den jüngsten Niederlagen der SPD in NRW und im Bund haben viele in der Partei von der Notwendigkeit einer Erneuerung gesprochen, von der Notwendigkeit, Antworten zu finden auf die Fragen, die die Menschen wirklich bewegen. Bisher ist davon nichts zu erkennen, vor allem nicht an Rhein und Ruhr. Nicht nur dort droht mit einer Weiter-So-Politik die Bedeutungslosigkeit. Die Union feiert einen Erfolg der Vernunft Ach ja: Es gibt ja auch noch den anderen (zukünftigen) Koalitionspartner. Aber der ist kein Wackelkandidat. Die Union feiert das Ergebnis der Sondierungsgespräche als Erfolg der Vernunft und ist mit sich im Reinen. Angela Merkel hat sich wieder einmal als glänzende Strategin erwiesen und kann weiter regieren. Die Zugeständnisse an die SPD dürften weder sie noch den Rest von CDU und CSU schmerzen; sie stärken sogar das soziale Gewissen in der Union. Wahrscheinlich werden schon in Kürze die Stimmen, die vor ein paar Wochen noch ihren baldigen Abschied herbeigeredet haben, verstummen. Angel Merkel ist zwar keine Visionärin, aber ein Stehaufmännchen. Inhaltlich konnte man unter dem Strich von den Sondierungsgesprächen nicht mehr erwarten. Sie sind halt ein riesiger Kompromiss. Der Politik-Wechsel in Deutschland - er wird wieder einmal vertagt.
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