SPD-Chef Martin Schulz hat das Ergebnis der Sondierungen mit der Union gegen Kritik aus der eigenen Partei verteidigt. "Ich kann die Skeptiker in unseren Reihen gut verstehen, ich selbst habe große Zweifel angemeldet und war wie die allermeisten von einer Jamaika-Koalition ausgegangen", sagte Schulz der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (F.A.S.).
"So wie ich selbst werden die Delegierten auf dem SPD-Parteitag nur durch Inhalte zu überzeugen sein." Als wichtigste Erfolge seiner Partei nannte Schulz neben der Europapolitik die Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent, die paritätische Finanzierung der Krankenkassenbeiträge, massive Investitionen und die Aufhebung des Kooperationsverbots in der Bildungspolitik. Den Verzicht auf einen höheren Spitzensteuersatz rechtfertigte der SPD-Chef damit, dass fast 90 Prozent der Bevölkerung künftig keinen Soli-Zuschlag mehr bezahlen müssten. "Das bedeutet eine deutliche Entlastung für die große Mehrheit", sagte Schulz.
Dass seine Partei die Bürgerversicherung nicht durchsetzen konnte, werde durch die Erfolge auf anderen Feldern aufgewogen. "Ich werde bei den Delegierten für diese Verbesserungen für die Menschen kämpfen", sagte Schulz. Besonders hob Schulz die Einigung zur Europapolitik hervor. "Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik steht Europa im Zentrum eines möglichen Koalitionsvertrags", sagte er.
"Das ist ein starkes Signal. Wir bekennen uns nicht nur im Grundsatz zu Europa, sondern machen konkrete Vorschläge, die in einen europäischen Mindestlohn und Vereinbarungen über Mindeststandards für die soziale Sicherung münden." Er teile nicht alle Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, im grundsätzlichen Bekenntnis zu Europa sei er mit ihm aber einig. In der Flüchtlingspolitik wies der SPD-Vorsitzende die Darstellung zurück, wonach seine Partei eine Obergrenze akzeptiert habe.
"Da wissen die Kritiker nicht, wovon sie reden", so Schulz. "Obergrenze hieße, das Asylrecht oder die Genfer Flüchtlingskonvention auszuhöhlen. So etwas gibt es mit der SPD nicht." In der Sondierungsvereinbarung werde lediglich festgestellt, dass in den zurückliegenden Jahren - außer 2015 - jeweils 180.000 bis 220.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen seien.
Eine Festlegung für die Zukunft bedeute das nicht. Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden von CDU, CSU und SPD hatten am Freitagvormittag nach einer mehr als 24-stündigen Schlussrunde ihre Sondierungen für die Bildung einer künftigen Bundesregierung abgeschlossen und die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen empfohlen. Die SPD will darüber am Sonntag der kommenden Woche auf einem Parteitag in Bonn entscheiden. In der Partei gibt es massiven Widerstand, insbesondere von den Jusos.