Bielefeld (ots) - Was wurde vor ein paar Jahren im Westen über die DDR-Nostalgie in den östlichen Bundesländern gelästert, ja geschimpft! Und jetzt soll es im Westen rückwärts gehen? Zumindest in der Möbelbranche, deren größte Messe IMM Cologne heute in Köln beginnt, soll wieder modern werden, worüber mindestens zwei Generationen nur gespottet haben: Omas Küchenbuffet, Nierentisch und das kleine runde Sofa. Unter dem Staub von mehr als 50 Jahren wird der Mensch nun wiederfinden, was er angeblich so vermisst: das Heimelige und die Gemütlichkeit. Die Möbelbranche ist nicht die erste, die auf das Nostalgiegefühl der Menschen setzt. Stickende, strickende und häkelnde Frauen-, aber auch Männergruppen rufen kaum noch Erstaunen hervor. Schallplatten werden sogar wieder neu produziert. Und wer von den Autokäufern es sich leisten kann, legt sich zum SUV oder Elektromobil auch einen Oldtimer für den Sonntagsausflug zu. In der Küche wird am Wochenende statt Fertiggericht einmal »richtig« gekocht - gern mit alten Gemüsesorten, die eigentlich schon in Vergessenheit geraten waren. Auf dem Tisch liegt neben dem Tablet für die wirklich wichtigen Nachrichten ein Füllfederhalter. Und trotz LED und Energiesparlampen melden die Kerzenhersteller steigende Umsätze. Grund für die DDR-Nostalgie waren die fundamentalen Veränderungen, die die Wiedervereinigung und die Integration in das freiheitliche Wirtschaftssystem des Westens für die Menschen »drüben« gebracht haben. Wie bei anderen Revolutionen haben viele die neuen Chancen genutzt. Doch viele sahen sich auch, nicht nur aufgrund ihres Alters, als Verlierer. Die Rückbesinnung auf vertraute DDR-Konsumwaren wie Vita-Cola, Halloren, Chokis, Nudossi und das Waschmittel Spee hat sie zusammengeführt. Dass jetzt ganz Deutschland und wohl auch die Nachbarländer von einer Nostalgiewelle erfasst werden, liegt auch an einer Revolution - nur dass diese nicht von der Politik, sondern von Wirtschaft und Technik getrieben wird. Unter dem Stichwort »Industrie 4.0« oder »Internet der Dinge« produziert auch die digitale Revolution Gewinner und Verlierer. Kaum ein Berufsfeld ist nicht von der Veränderung erfasst. Und trotz konjunkturellen Aufschwungs und historisch hoher Beschäftigtenzahl ist die Angst einer größeren Zahl von Menschen, irgendwann vom Computer ausgesondert zu werden, nicht von der Hand zu weisen. Die »Ostalgie«-Welle ebbt schon wieder ab. Und auch für den, dem die neuen alten Möbel zu rund, zu emotional und zu schwülstig sind, ist Land in Sicht. 2019 jährt sich die Gründung des Bauhauses in Weimar zum 100. Mal. Mies van der Rohes Leitsatz »Weniger ist mehr« ist hoffentlich nicht vergessen. Er hat in Architektur und Design einmal eine Revolution eingeleitet.
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