Bielefeld (ots) - Martin Schulz hat gestern eine große Chance verpasst: Zwar sind ihm die SPD-Delegierten nach einer langen, intensiven Debatte mit knapper Mehrheit gefolgt. Das Glaubwürdigkeitsproblem aber, das der Parteichef spätestens seit dem 24. September mit sich herumschleppt, ist kein bisschen kleiner geworden. Im Gegenteil. Mit seinem angestrengt wirkenden, durchweg schwachen Auftritt in Bonn hat er seine Position noch einmal deutlich verschlechtert. Überzeugend war das alles nicht, überzeugt haben dürfte das kaum einen der vielen parteiinternen Kritiker. Und das lässt für den Prozess der dringend notwendigen Erneuerung der SPD wenig Gutes ahnen. Oder sprach da womöglich einer, dem ohnehin schon längst klar ist, dass er ein Vorsitzender auf Abruf ist? Nicht ein einziges Wort der Entschuldigung lieferte Schulz in seiner knapp einstündigen Rede für seine gleich zweifache Ankündigung, in keinem Fall in eine Große Koalition unter Führung einer CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel einzutreten. Keine Silbe ließ er verlauten zu der Frage, ob er zum Verzicht auf ein Ministeramt bereit ist. Das war schwach und noch dazu risikoreich. Schulz nährt so den Verdacht, das eigene Interesse über das der Partei zu stellen. Und ohne den fulminanten Auftritt der Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles hätte das Ganze durchaus auch schiefgehen können. Am Ende stand ein Abstimmungsergebnis, das auch in den Parteizentralen von CDU und CSU aufmerksam zur Kenntnis genommen werden dürfte. Jedem in der Union muss nun klar sein: So ganz viel wird man der sozialdemokratischen Seele in den Koalitionsverhandlungen nicht mehr zumuten können, wenn abermals ein schwarz-rotes Bündnis zustandegebracht werden soll. Allein schon deshalb stehen die Chancen für die SPD gut, in den drei Punkten Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen, Härtefallregelung beim Familiennachzug und Bekämpfung der »Zwei-Klassen-Medizin« noch etwas herauszuholen. Zugleich sollte sich niemand in der SPD allzu großen Illusionen hingeben. Das 28-seitige Sondierungspapier ist ein sehr konkreter Rahmen für die Koalitionsverhandlungen. Und die CDU/CSU wird akribisch darauf achten, dass in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entsteht, die SPD könne nun plötzlich nach eigenem Gutdünken nachbessern. Ohnehin dürfte alle Beteiligten der Wunsch einen, die Regierungsbildung nach monatelangem Gewürge zügig zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Was nicht heißt, dass am Ende nicht doch noch etwas schiefgehen könnte. Denn zum Schluss hat ja auch noch die sozialdemokratische Basis das Wort. Zwar gelten die 440.000 SPD-Mitglieder als bei weitem nicht so dogmatisch wie die Funktionärsebene - aber ausschließen sollte man gegenwärtig besser nichts.
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