Bielefeld (ots) - Deutschland hat eine grüne Volkspartei. Diesem Eindruck konnte erliegen, wer am Wochenende die Nachrichten verfolgt hat. Grün, grün, grün auf allen Kanälen. Der lässige Robert Habeck an der Seite der kämpferischen Annalena Baerbock - zwei frisch und dynamisch auftretende Parteichefs, die richtig was bewegen wollen. Doch die Begeisterung auf dem Grünen-Parteitag und die Sympathien darüber hinaus lenken ein wenig ab von der trüben Wirklichkeit: Die Grünen sind im Bund bloß eine 8,9-Prozent-Partei, kleinste Fraktion im Bundestag. Und ihre großen Anliegen - die offene Gesellschaft und der Klimaschutz - sind arg in der Defensive. Dass dem neuen Grünen-Spitzenduo nun die Herzen zufliegen, ist gewiss in der Glaubwürdigkeit beider begründet. Schleswig-Holsteins Umweltminister Habeck gelingt es wie nur wenigen, Politik als aufrichtiges Bemühen um ein besseres Leben für möglichst viele darzustellen. Und die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Baerbock streitet mit Leidenschaft für ihre Anliegen, ob für den Kohleausstieg in der Lausitz oder gegen die Armut von Kindern. Es ist aber auch die Unbekanntheit Habecks und, mehr noch, Baerbocks, die die Hoffnungen nährt, die an beide gestellt werden. Beide Politiker stellen eine Projektionsfläche für vielerlei Sehnsüchte dar. Sehnsüchte, die nicht so sehr in der Sorge um das Bienensterben und der Verbundenheit mit grüner Programmatik gründen, sondern tiefer liegen: in einem Überdruss an der Berliner Politik. Die Bundestagswahl hat nahezu alle größeren Parteien tief verunsichert zurückgelassen. CDU und SPD suchen seither nach zündenden Ideen, um für sich zu werben. Ihr Spitzenpersonal verspricht fortwährend "Erneuerung" und "Aufbruch". Dabei sind die ermattete Angela Merkel und der taumelige Martin Schulz Beweis genug, dass dieses Versprechen leer ist. Die Taktierereien auf dem Weg zur nächsten GroKo rufen bei vielen Bürgern bestenfalls Schulterzucken hervor. Dann ist da noch das stark ausgeprägte Bedürfnis nach Abwechslung und Unterhaltung - was allerdings mehr über die Gemütslage des Publikums verrät als über die tatsächliche Lage des Landes. All dem setzen die Grünen mit Habeck und Baerbock nun kameratauglichen Elan und Eloquenz entgegen. Als Chefs einer so streitlustigen Partei wie den Grünen werden ihre Qualitäten jedoch vor allem dann gefragt sein, wenn die Kameras aus sind. Den anderen Parteien wiederum sollte der neue Reiz der Grünen Mahnung sein, die Stimmung des Überdrusses nicht zu unterschätzen.
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