Regensburg (ots) - Wer wagt, beginnt. So lautet der Titel eines Buches des neuen Grünen-Spitzenmannes Robert Habeck, der zusammen mit der Potsdamerin Annalena Baerbock seit dem Wochenende die neue, junge Doppelspitze der Partei bildet. Mit der Wahl von gleich zwei Realos leiten die Grünen nach dem schmählichen Scheitern des Jamaika-Experiments die personelle und inhaltliche Erneuerung ihrer Partei ein. Und sie tun das so frisch, so elanvoll, so jenseits urgrüner Rituale, dass die anderen Parteien dagegen plötzlich sehr alt aussehen. Dabei galt Habeck, der im Hauptberuf Umwelt-, Landwirtschafts- und Energiewendeminister in Schleswig-Holstein ist und den Parteijob vorerst quasi als Nebenerwerbsvorsitzender ausüben wird, schon lange als der heimliche Star der Ökopartei. Gegen den bisherigen Parteichef Cem Özdemir unterlag Habeck in der Urwahl der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl nur hachdünn. Und bereits damals meinten viele, mit dem strubbelhaarigen Quereinsteiger von der Küste hätten die Grünen größere Chancen als mit dem in die Jahre gekommenen Kandidaten-Duo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt. Vielleicht war das auch wirklich so. Neue Gesichter braucht das Land. Der hemdsärmelige Habeck entzieht sich der jahrzehntelang bei den Grünen geübten Einteilung in Linke hier und Realos da. Als Landesminister in Kiel oder bei den Jamaika-Verhandlungen in Berlin macht er ganz reale praktische Politik. Und wenn er über die Zukunft nachdenkt, offenbart der Mann ein philosophisch gefestigtes Wertefundament, das jedoch wiederum nicht in Rechts-Links-Raster gepresst werden kann. Die Politik darf sich nicht wegducken vor den realen Problemen, könnte Habecks Credo lauten. Und das gilt sowohl für die Herausforderung des weltweiten Klimawandels, für die Digitalisierung oder die Flüchtlings- und die Sicherheitspolitik. Seit ihrer Gründung vor fast vier Jahrzehnten haben die Grünen mit Argusaugen darauf geachtet, dass der linke und der Realo-Flügel je einen Co-Vorsitz erhielten. Mit diesem alten Zopf, der eher zur Lähmung und zu Reibereien führte, wurde in Hannover überraschend flott Schluss gemacht. Die Grünen wollen nach über zwölf Jahren in der bundespolitischen Opposition wieder an die Macht. Und das Streben nach Macht ist für sich genommen erst einmal ein legitimer Anspruch einer Partei. Die SPD etwa tut sich viel schwerer damit. Und die Liberalen liefen einfach davon, als es ernst wurde. Die Frage ist nun, ob die Grünen mit ihren politischen Konzepten auch über die angestammte Wählerklientel hinaus Zuspruch und Anhänger finden werden. Sie haben in den vergangenen Jahren zumindest gelernt, das selbst solch eminent wichtige Überlebensfragen der Menschheit wie die Klimakrise nicht gegen, sondern mit den Menschen angegangen werden müssen. Gleiches gilt für die Landwirtschaft und die Energiewende. Zwar ist der erhobene Zeigefinger bei den Grünen noch nicht ganz verschwunden, doch Personal wie Baerbock und Habeck sind keine fundamentalen ideologischen Eiferer, die es bei den Grünen auch gab und noch gibt. Dass nun gleich zwei "Realos" an der Grünen-Spitze stehen, wird von vielen Beobachtern - auch von einigen Grünen selbst - als ein Ruck in die Mitte der Gesellschaft, womöglich gar nach Rechts, interpretiert. Allerdings steckt dahinter eine sehr einseitige Wahrnehmung. Richtig ist, dass die Grünen zunehmend bürgerlicher, man könnte auch sagen volksnäher, geworden sind.
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