Düsseldorf (ots) - Drei Begriffe stehen im Koalitionsvertrag ganz vorne: Dynamik. Aufbruch. Zusammenhalt. Wer die jüngsten Auftritte von Martin Schulz, Angela Merkel und Horst Seehofer (Durchschnittsalter: 64,3 Jahre), die Namen des möglichen Kabinetts und das Gerangel um die Interpretationen der Beschlüsse erlebt hat, dem fallen viele Begriffe ein, aber nicht diese drei.
Doch der Reihe nach. Es kommt auf die Inhalte an, heißt es. Die lassen sich mit einem alten Willy-Brandt-Bonmot ganz gut zusammenfassen: "Links und frei". Der Koalitionsvertrag atmet den Geist der Bewahrung, der Besänftigung von Gruppen, des Etatismus. Da steckt viel mehr SPD drin, als die 20 Prozent der Partei erahnen ließen.
Horst Seehofer hat es zugegeben: Man wollte Gutes tun für die Unzufriedenen. Also schüttet diese Koalition Milliarden aus für Eltern, Rentner, Mütter, Pflegende, Versicherte, Bahnreisende, Autofahrer. An strukturelle Fragen zur Wettbewerbsfähigkeit des Landes traut sich das Bündnis nicht, abgesehen von der sinnvollen Abschaffung des Kooperationsverbots. Eine Steuerreform, die Leistung belohnt, bleibt in Zeiten von Rekordeinnahmen aus. Der Solidaritätsbeitrag wird für viele, aber eben nicht für alle abgeschafft. Die überproportional steigende Steuerlast bei Lohnzuwächsen ("kalte Progression") wird nur überprüft, eine Reform der Mehrwert- oder Gewerbesteuer gar nicht angetastet. Die Förderung von Forschung und Entwicklung bleibt vage. Dafür dürften die Sozialbeiträge steigen, anders lassen sich die sozial- und rentenpolitischen Versprechen nicht finanzieren.
Dynamik? Aufbruch? Es ist richtig, dass Auswüchse bei befristeten Jobs zurechtgestutzt werden. Aber warum führt eine CDU-Kanzlerin nur neue Subventionen ein, vom Baukindergeld bis zur Grundrente? Eine alternde Gesellschaft braucht eine leistungsfähige Basis. Der Begriff "Konsolidierung" kommt im Koalitionsvertrag im Zusammenhang mit Finanzpolitik nicht vor. Angela Merkel wirft die schwäbische Hausfrau, auf die sie sich einst berief, aus dem Kabinett.
Warum wird nur über mehr Geld für Europa gesprochen und nicht darüber, wie bestehende Budgets wirksam für Zukunftsbereiche eingesetzt werden? Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ist richtig, aber warum haben Millionen Haushalte und Unternehmen keinen Rechtsanspruch auf schnelles Internet? In der Sozialpolitik wird geklotzt, aber bei Zukunftsthemen wird es knauserig. Und dass Peter Altmaier zuletzt durch wegweisende ordnungspolitische Ideen aufgefallen wäre, würde nicht einmal er selbst behaupten. Nun wird er Nachfolger von Ludwig Erhard.
Links und frei. Frei interpretierbar sind viele Beschlüsse: Während die Union vom Ende des Familiennachzugs spricht, redet die SPD vom Einstieg. Die CSU lobt die Obergrenze bei der Zuwanderung, die SPD verweist auf das Grundrecht auf Asyl, das keine Grenzen kennt. Die SPD spricht vom Einstieg in die Bürgerversicherung, die CDU vom Gegenteil. Das dürfte vier Jahre kaum gut gehen.
Angela Merkel hat der SPD mit Außen-, Finanz- und Sozialressort die Schlüsselressorts überlassen. Die SPD spricht schon vom "Richtungswechsel" in der Europapolitik. Wer die Partei kennt, ahnt: es geht um mehr Geld. Die Mehrheit der Deutschen fürchtet aber eine Transferunion. Angela Merkel offenbar nicht. Mit dem pragmatischen Hanseaten Olaf Scholz zieht immerhin ein Sozialdemokrat in das Finanzministerium ein, der sich eher an Helmut Schmidt als an Ralf Stegner orientiert. Und Martin Schulz? Der macht den Westerwelle. Er klammert sich an das Amt, das Popularität verspricht, und gibt dafür den Parteijob ab. Anstatt die Basis zu befrieden und sich durch die Kärrnerarbeit neue Reputation zu erarbeiten, geht er ins Kabinett. Da wollte er nie hin - eine beispiellose Kehrtwende. Die Kanzlerin wird künftig die Leitlinien der Politik mit Frau Nahles und Herrn Scholz besprechen. Sozialdemokratische Leitlinien. Diese SPD-Regierung wird von Angela Merkel toleriert.
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Doch der Reihe nach. Es kommt auf die Inhalte an, heißt es. Die lassen sich mit einem alten Willy-Brandt-Bonmot ganz gut zusammenfassen: "Links und frei". Der Koalitionsvertrag atmet den Geist der Bewahrung, der Besänftigung von Gruppen, des Etatismus. Da steckt viel mehr SPD drin, als die 20 Prozent der Partei erahnen ließen.
Horst Seehofer hat es zugegeben: Man wollte Gutes tun für die Unzufriedenen. Also schüttet diese Koalition Milliarden aus für Eltern, Rentner, Mütter, Pflegende, Versicherte, Bahnreisende, Autofahrer. An strukturelle Fragen zur Wettbewerbsfähigkeit des Landes traut sich das Bündnis nicht, abgesehen von der sinnvollen Abschaffung des Kooperationsverbots. Eine Steuerreform, die Leistung belohnt, bleibt in Zeiten von Rekordeinnahmen aus. Der Solidaritätsbeitrag wird für viele, aber eben nicht für alle abgeschafft. Die überproportional steigende Steuerlast bei Lohnzuwächsen ("kalte Progression") wird nur überprüft, eine Reform der Mehrwert- oder Gewerbesteuer gar nicht angetastet. Die Förderung von Forschung und Entwicklung bleibt vage. Dafür dürften die Sozialbeiträge steigen, anders lassen sich die sozial- und rentenpolitischen Versprechen nicht finanzieren.
Dynamik? Aufbruch? Es ist richtig, dass Auswüchse bei befristeten Jobs zurechtgestutzt werden. Aber warum führt eine CDU-Kanzlerin nur neue Subventionen ein, vom Baukindergeld bis zur Grundrente? Eine alternde Gesellschaft braucht eine leistungsfähige Basis. Der Begriff "Konsolidierung" kommt im Koalitionsvertrag im Zusammenhang mit Finanzpolitik nicht vor. Angela Merkel wirft die schwäbische Hausfrau, auf die sie sich einst berief, aus dem Kabinett.
Warum wird nur über mehr Geld für Europa gesprochen und nicht darüber, wie bestehende Budgets wirksam für Zukunftsbereiche eingesetzt werden? Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ist richtig, aber warum haben Millionen Haushalte und Unternehmen keinen Rechtsanspruch auf schnelles Internet? In der Sozialpolitik wird geklotzt, aber bei Zukunftsthemen wird es knauserig. Und dass Peter Altmaier zuletzt durch wegweisende ordnungspolitische Ideen aufgefallen wäre, würde nicht einmal er selbst behaupten. Nun wird er Nachfolger von Ludwig Erhard.
Links und frei. Frei interpretierbar sind viele Beschlüsse: Während die Union vom Ende des Familiennachzugs spricht, redet die SPD vom Einstieg. Die CSU lobt die Obergrenze bei der Zuwanderung, die SPD verweist auf das Grundrecht auf Asyl, das keine Grenzen kennt. Die SPD spricht vom Einstieg in die Bürgerversicherung, die CDU vom Gegenteil. Das dürfte vier Jahre kaum gut gehen.
Angela Merkel hat der SPD mit Außen-, Finanz- und Sozialressort die Schlüsselressorts überlassen. Die SPD spricht schon vom "Richtungswechsel" in der Europapolitik. Wer die Partei kennt, ahnt: es geht um mehr Geld. Die Mehrheit der Deutschen fürchtet aber eine Transferunion. Angela Merkel offenbar nicht. Mit dem pragmatischen Hanseaten Olaf Scholz zieht immerhin ein Sozialdemokrat in das Finanzministerium ein, der sich eher an Helmut Schmidt als an Ralf Stegner orientiert. Und Martin Schulz? Der macht den Westerwelle. Er klammert sich an das Amt, das Popularität verspricht, und gibt dafür den Parteijob ab. Anstatt die Basis zu befrieden und sich durch die Kärrnerarbeit neue Reputation zu erarbeiten, geht er ins Kabinett. Da wollte er nie hin - eine beispiellose Kehrtwende. Die Kanzlerin wird künftig die Leitlinien der Politik mit Frau Nahles und Herrn Scholz besprechen. Sozialdemokratische Leitlinien. Diese SPD-Regierung wird von Angela Merkel toleriert.
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