Bielefeld (ots) - Martin Schulz ist gescheitert. Endgültig. Dem kurzen Höhenflug folgte der Fall ins Bodenlose - ein beispielloser Absturz in nicht einmal zwölf Monaten. Die politische Tragödie des einstigen SPD-Kanzlerkandidaten und Noch-Parteivorsitzenden mag Mitgefühl wecken. Der Mensch Martin Schulz kann einem wahrlich leidtun. Doch Fakt bleibt: Der Politiker Martin Schulz war seinen Aufgaben zu keiner Zeit gewachsen. Er ist nicht an den Umständen und auch nicht an seinen »Parteifreunden« gescheitert, von denen es zum Schluss nicht mehr viele gab. Schulz ist ausschließlich an sich selbst gescheitert. Die Schulz-Story ist auch ein großes Lehrstück über unsere Zeit. Über Illusionen, Projektionen und Übertreibungen - auch solche journalistischer Art. Martin Schulz hat sich davon erfassen lassen und jeden Blick für die Realität verloren. Und die SPD phasenweise auch. War die krachende Wahlniederlage womöglich schon weit vor dem 24. September 2017 abzusehen, so reihte Schulz spätestens mit Schließung der Wahllokale einen haarsträubenden Fehler an den nächsten. Im Berliner Willy-Brandt-Haus fasste er nie richtig Fuß. Die SPD-Parteizentrale blieb ihm so fremd wie sie ihm. Am schlimmsten aber: Er opferte jede Glaubwürdigkeit. Schon den Parteitag, der über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU befand, hätte er ohne das beherzte Eingreifen von Andrea Nahles nicht überstanden. Der vermeintliche Coup, nun eben dieser Andrea Nahles den Parteivorsitz zu überlassen, um sich selbst mit letzter Kraft ins Amt des Außenministers zu retten, war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die SPD-Basis lief endgültig Sturm gegen den Umfaller Martin Schulz. Nicht nur, aber vor allem im mächtigen Landesverband NRW. Und dann schlug auch noch Sigmar Gabriel zurück, den Schulz ja gerade aus dem Amt drängen wollte. Eiskalt und mit der gleichen Respekt- und Rücksichtslosigkeit, mit der er sich selbst behandelt sah. Ob's ihm noch nutzt, ist trotzdem ungewiss. Die politische Kultur erlebt dieser Tage einen Tiefpunkt in Deutschland - und das längst nicht nur unter Sozialdemokraten. Die vielen Menschen im Land, denen Politik ohnehin als »durch und durch schmutziges Geschäft« erscheint, werden sich bestätigt fühlen. Die SPD wird trotzdem fürs Erste aufatmen. Der Rückzug von Martin Schulz dürfte vielen Mitgliedern das »Ja« zum Koalitionsvertrag erleichtern. Das ändert aber nichts daran, dass die Partei in einem desolaten Zustand ist. Auf Andrea Nahles und Olaf Scholz wartet eine Herkules-Aufgabe. Martin Schulz hat als Sündenbock ausgedient. Die SPD aber wäre nicht die SPD, wenn sie nicht schon bald jemanden fände, an dem sie weiter leiden könnte.
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