Berlin (ots) - Kurzform: Nein, Kim Jong-un hat nicht über Nacht die Kunst der Charmeoffensiven entdeckt. Er verfolgt keine Samthandschuh-Politik. Die große Korea-Show ist inszeniert, aus eiskaltem taktischen Kalkül heraus. Kim geht es vor allem darum, die internationale Sanktionsfront gegen seine Atom- und Raketentests aufzulockern. An erster Stelle soll Südkorea mit den Lockvogelangeboten geködert werden. Dessen linksliberaler Präsident Moon ist besonders interessiert an einem Ausgleich mit dem Norden. Kim sieht in ihm ein wichtiges Instrument, um den auf noch schärfere Strafmaßnahmen pochenden US-Präsidenten Donald Trump abzubremsen. Zugleich will er aber auch die EU-Staaten umgarnen, von denen zumindest einige anfällig für diplomatische Tauwetter-Initiativen sind.
Der vollständige Leitartikel: In der Boulevardpresse wird Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un gern als der "Irre von Pjöngjang" gebrandmarkt. Es handele sich um einen post-pubertären Autokraten, der sich einen perversen Spaß mache, mit seinen Atomwaffen- und Raketenplänen die Welt zu schockieren, so die Lesart. Dieses Bild geht an der Wirklichkeit vorbei. Kim agiert höchst rational. Er will sein Regime retten - um jeden Preis. Die plötzlichen Entspannungssignale Richtung Südkorea beruhen nicht auf einer wundersamen Wandlung des Babyface-Diktators zum diplomatisch versierten Staatsmann. Er will vielmehr das negative Image seines Landes aufpolieren. Deshalb die Annäherungsversuche vor den Olympischen Winterspielen in Südkorea. Nordkorea schickt eine hochrangige politische Delegation, eigene Athleten, ein Orchester sowie eine große Jubelgruppe zu den "Friedensspielen". Erstmals tritt eine gemeinsame Eishockey-Damenmannschaft an. Dazu der historische Handschlag zwischen Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in und Kim Jong-uns Schwester Kim Yo-jong, die wiederum eine Einladung zum Staatsbesuch nach Nordkorea überbringt. Nein, Kim hat nicht über Nacht die Kunst der Charmeoffensiven entdeckt. Er verfolgt keine Samthandschuh-Politik. Die große Korea-Show ist inszeniert, aus eiskaltem taktischen Kalkül heraus. Kim geht es vor allem darum, die internationale Sanktionsfront gegen seine Atom- und Raketentests aufzulockern. An erster Stelle soll Südkorea mit den Lockvogelangeboten geködert werden. Dessen linksliberaler Präsident Moon ist besonders interessiert an einem Ausgleich mit dem Norden. Kim sieht in ihm ein wichtiges Instrument, um den auf noch schärfere Strafmaßnahmen pochenden US-Präsidenten Donald Trump abzubremsen. Zugleich will er aber auch die EU-Staaten umgarnen, von denen zumindest einige anfällig für diplomatische Tauwetter-Initiativen sind. Das heißt nicht, dass Nordkorea an seinem Nuklearwaffen- und Raketenprogramm rütteln wird. Ganz im Gegenteil. Während die Welt die schönen Olympia-Bilder von Pyeongchang genießt, nutzt Kim die Zeit zur Weiterentwicklung seines Arsenals. Er strebt nach Atomgeschossen, die die USA erreichen können. Sie wären für ihn politisches Droh- und Erpressungspotenzial - und am Ende die gewünschte Lebensversicherung für sein stalinistisches Herrschaftsmodell. Nordkoreas Staatschefs haben die Militärinterventionen der Amerikaner im Irak und in Libyen genau studiert und ihre Schlüsse daraus gezogen. Die Lage ist aber noch komplizierter. Pjöngjang hat politisch geschmeidige Verbündete: China und Russland. Beide Länder unterstützen zwar offiziell UN-Resolutionen zur Verhängung von Sanktionen gegen Nordkorea, aber nicht mit letzter Konsequenz. Sie wollen einen Zusammenbruch des Regimes mit massiven Flüchtlingswellen ebenso verhindern wie - nach einer Wiedervereinigung Koreas - US-Truppen an der Grenze zu China. Deshalb gibt es immer wieder Schlupflöcher zur Umgehung des Handelsstopps. Trump wäre daher gut beraten, über seinen Schatten zu springen und direkte Gespräche mit Nordkorea zu beginnen. Es gilt, dem paranoiden Kim-Clan durch eine Nichtangriffsgarantie die Angst vor dem eigenen Untergang zu nehmen. Dafür sollte sich Pjöngjang verpflichten, auf Nuklearwaffen zu verzichten. Zugegeben, eine diplomatische Herkulesarbeit, die viel Fingerspitzengefühl und langen Atem erfordert. Aber einen Versuch wäre es wert. Eine vernünftige Alternative ist nicht in Sicht.
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