Bielefeld (ots) - Ja:
Juristisch ist zum SPD-Mitgliederentscheid alles gesagt. Das Bundesverfassungsgericht hat die fünf Beschwerden gegen das Verfahren gar nicht erst angenommen. Wer behauptet, das habe rein formale Gründe, der irrt. Hätten die Karlsruher Richter nämlich nur den leisesten Zweifel an der demokratischen Legitimation des Mitgliederentscheids, so hätten sie sicher Mittel und Wege gefunden, dies zum Ausdruck zu bringen. Alles andere liefe darauf hinaus, den Hütern unserer Verfassung zu unterstellen, sie kämen ihrer Aufgabe nicht nach. Viel wichtiger aber: Alle beteiligten Parteien befinden über die Annahme dieses Koalitionsvertrages - wenn auch auf unterschiedliche Weise. Und so wie im CSU-Vorstand Personen stimmberechtigt waren, die bei der Bundestagswahl kein Mandat errungen haben, so gilt das Gleiche auch für die große Mehrzahl der 1001 CDU-Delegierten, die am nächsten Montag in Berlin zur Abstimmung zusammenkommen. Warum aber eine Entscheidung von 463.723 SPD-Mitgliedern undemokratischer sein soll als die von 1001 CDU-Mitgliedern oder die von rund 50 CSU-Vorstandsmitgliedern, erschließt sich nicht. Ins Leere läuft auch das Argument, den 9,5 Millionen Menschen, die am 24. September 2017 SPD gewählt haben, stünde eine Art Anspruch auf sozialdemokratisches Regierungshandeln zu. Legt man den Verlauf des Wahlkampfs, sämtliche Umfragewerte und vor allem die Aussagen der SPD-Spitze vor der Wahl zu Grunde, ließe sich eher das glatte Gegenteil behaupten: Die Wähler mussten davon ausgehen, dass die SPD in der Opposition landet. Daraus resultiert ja gerade der Zwist in der SPD um ein Ja zu einer neuen Großen Koalition. Weil die SPD wahrlich in keinem guten Zustand ist, mag das Unbehagen am Mitgliederentscheid verständlich sein. Rational zu begründen ist es nicht. Die SPD kann in diese Regierung eintreten, sie muss es aber nicht. Allerdings muss die Partei auch alle Folgen ihrer Entscheidung tragen. Wer jedoch meint, die Bildung einer Großen Koalition ergebe sich nun quasi zwangsläufig aus dem »Wählerwillen«, verdreht die Wirklichkeit. Es gab und gibt andere Bündnisoptionen, auch wenn diese als gescheitert beziehungsweise wenig lukrativ gelten. Beides aber ist gewiss nicht der SPD anzulasten.
Nein:
Dass die SPD ihre 463.723 Mitglieder entscheiden lässt, ob Deutschland von einer Großen Koalition regiert wird, ist höchst undemokratisch. 9,5 Millionen Wähler haben im September ihre Zweitstimme der SPD gegeben. 9,5 Millionen Menschen haben die Sozialdemokratische Partei beauftragt zu regieren - in welcher Konstellation auch immer. Denn mit der Wählerstimme wird auch ein Mandat zu Koalitionsverhandlungen erteilt. Doch die SPD drückt sich davor, ihr Mandat auszuüben. Sie wälzt die Entscheidung auf ihre Mitglieder ab - auf nicht mal 500.000 Menschen. Die übrigen 95 Prozent der SPD-Wähler werden vor den Kopf gestoßen. Ihre Meinung ist auf einmal nicht mehr gefragt - weil sie keine Parteimitglieder sind. Dafür wirken jetzt Menschen am Wohl und Wehe dieses Landes mit, die in Deutschland nicht mal wählen dürfen. Nach Artikel 20 des Grundgesetzes geht die Staatsgewalt vom Volk aus, womit jene gemeint sind, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Nur sie dürfen an Bundestagswahlen teilnehmen. Mit ihrer Mitgliederbefragung umgeht die SPD die Regelung. Nun können auch Parteimitglieder ohne deutschen Pass über die GroKo abstimmen. Genauso wie jugendliche Parteimitglieder, die auch nicht als Bundestagswähler zugelassen sind. Das Bundesverfassungsgericht hat fünf Beschwerden gegen dieses Prozedere nicht angenommen, ohne das zu begründen. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, dass die Verfassungsrichter die Mitgliederbefragung gutheißen. Sie sind nur einfach nicht zuständig. Eine Verfassungsbeschwerde kann sich nämlich nur gegen Hoheitsakte der Justiz, der staatlichen Verwaltung und der Gesetzgebung richten - aber eben nicht gegen das Vorhaben einer Partei. »Mitgliederentscheide über die Bildung der Bundesregierung, über das künftige Regierungsprogramm und die Gesetzgebung in der neuen Legislaturperiode hebeln stückweise grundgesetzliche Regeln des parlamentarischen Systems faktisch aus«, kritisierte der frühere Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier in einem Gastbeitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Wer wollte ihm widersprechen?
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Chef vom Dienst Nachrichten Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
Juristisch ist zum SPD-Mitgliederentscheid alles gesagt. Das Bundesverfassungsgericht hat die fünf Beschwerden gegen das Verfahren gar nicht erst angenommen. Wer behauptet, das habe rein formale Gründe, der irrt. Hätten die Karlsruher Richter nämlich nur den leisesten Zweifel an der demokratischen Legitimation des Mitgliederentscheids, so hätten sie sicher Mittel und Wege gefunden, dies zum Ausdruck zu bringen. Alles andere liefe darauf hinaus, den Hütern unserer Verfassung zu unterstellen, sie kämen ihrer Aufgabe nicht nach. Viel wichtiger aber: Alle beteiligten Parteien befinden über die Annahme dieses Koalitionsvertrages - wenn auch auf unterschiedliche Weise. Und so wie im CSU-Vorstand Personen stimmberechtigt waren, die bei der Bundestagswahl kein Mandat errungen haben, so gilt das Gleiche auch für die große Mehrzahl der 1001 CDU-Delegierten, die am nächsten Montag in Berlin zur Abstimmung zusammenkommen. Warum aber eine Entscheidung von 463.723 SPD-Mitgliedern undemokratischer sein soll als die von 1001 CDU-Mitgliedern oder die von rund 50 CSU-Vorstandsmitgliedern, erschließt sich nicht. Ins Leere läuft auch das Argument, den 9,5 Millionen Menschen, die am 24. September 2017 SPD gewählt haben, stünde eine Art Anspruch auf sozialdemokratisches Regierungshandeln zu. Legt man den Verlauf des Wahlkampfs, sämtliche Umfragewerte und vor allem die Aussagen der SPD-Spitze vor der Wahl zu Grunde, ließe sich eher das glatte Gegenteil behaupten: Die Wähler mussten davon ausgehen, dass die SPD in der Opposition landet. Daraus resultiert ja gerade der Zwist in der SPD um ein Ja zu einer neuen Großen Koalition. Weil die SPD wahrlich in keinem guten Zustand ist, mag das Unbehagen am Mitgliederentscheid verständlich sein. Rational zu begründen ist es nicht. Die SPD kann in diese Regierung eintreten, sie muss es aber nicht. Allerdings muss die Partei auch alle Folgen ihrer Entscheidung tragen. Wer jedoch meint, die Bildung einer Großen Koalition ergebe sich nun quasi zwangsläufig aus dem »Wählerwillen«, verdreht die Wirklichkeit. Es gab und gibt andere Bündnisoptionen, auch wenn diese als gescheitert beziehungsweise wenig lukrativ gelten. Beides aber ist gewiss nicht der SPD anzulasten.
Nein:
Dass die SPD ihre 463.723 Mitglieder entscheiden lässt, ob Deutschland von einer Großen Koalition regiert wird, ist höchst undemokratisch. 9,5 Millionen Wähler haben im September ihre Zweitstimme der SPD gegeben. 9,5 Millionen Menschen haben die Sozialdemokratische Partei beauftragt zu regieren - in welcher Konstellation auch immer. Denn mit der Wählerstimme wird auch ein Mandat zu Koalitionsverhandlungen erteilt. Doch die SPD drückt sich davor, ihr Mandat auszuüben. Sie wälzt die Entscheidung auf ihre Mitglieder ab - auf nicht mal 500.000 Menschen. Die übrigen 95 Prozent der SPD-Wähler werden vor den Kopf gestoßen. Ihre Meinung ist auf einmal nicht mehr gefragt - weil sie keine Parteimitglieder sind. Dafür wirken jetzt Menschen am Wohl und Wehe dieses Landes mit, die in Deutschland nicht mal wählen dürfen. Nach Artikel 20 des Grundgesetzes geht die Staatsgewalt vom Volk aus, womit jene gemeint sind, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Nur sie dürfen an Bundestagswahlen teilnehmen. Mit ihrer Mitgliederbefragung umgeht die SPD die Regelung. Nun können auch Parteimitglieder ohne deutschen Pass über die GroKo abstimmen. Genauso wie jugendliche Parteimitglieder, die auch nicht als Bundestagswähler zugelassen sind. Das Bundesverfassungsgericht hat fünf Beschwerden gegen dieses Prozedere nicht angenommen, ohne das zu begründen. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, dass die Verfassungsrichter die Mitgliederbefragung gutheißen. Sie sind nur einfach nicht zuständig. Eine Verfassungsbeschwerde kann sich nämlich nur gegen Hoheitsakte der Justiz, der staatlichen Verwaltung und der Gesetzgebung richten - aber eben nicht gegen das Vorhaben einer Partei. »Mitgliederentscheide über die Bildung der Bundesregierung, über das künftige Regierungsprogramm und die Gesetzgebung in der neuen Legislaturperiode hebeln stückweise grundgesetzliche Regeln des parlamentarischen Systems faktisch aus«, kritisierte der frühere Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier in einem Gastbeitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Wer wollte ihm widersprechen?
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