Mainz (ots) - Das Leben ist nicht gerecht, der Tod ist es schon gar nicht. Es wird wenige Menschen geben, die Karl Kardinal Lehmann nach seiner Emeritierung als Bischof nicht ein paar Lebensjahre mehr gegönnt hätten. Jahre, in denen Lehmann mehr Zeit für sich gefunden hätte, mehr Zeit für seine Bücher, mehr Zeit für Themen und Veröffentlichungen, die ihm noch am Herzen lagen. Stattdessen hat sich allein noch Lehmanns Wunsch erfüllt, seinen Nachfolger Peter Kohlgraf auf dem Mainzer Bischofsstuhl in sein Amt einzuführen. Man konnte spüren, wie sich Lehmann diese Genugtuung mit letzter Kraft erkämpfte. Unmittelbar danach setzte der Verfall ein. Dem Kardinal erging es wie manchem betagten Amtsträger, der zu wenig auf sich selbst achtet: Wenn das Korsett des Amtes wegfällt, schwindet das Vermögen, dem Leben noch einmal eine neue Wendung zu geben. Nun ist Karl Lehmann von seinem Leiden erlöst. Deutschland trauert um einen großen Zeitgenossen, der dem Land viel mehr gegeben hat, als ein Bischof üblicherweise vermag. Das Bistum trauert um seinen segensreichen Karl, der ihm 33 Jahre lang mit scharfem Intellekt und entwaffnender Warmherzigkeit seinen Stempel aufgedrückt hat. Mit Lehmann ist zugleich eine Leitfigur des Katholizismus von uns gegangen, wie es so schnell keine mehr geben wird. 21 Jahre leitete er die Deutsche Bischofskonferenz. Er hatte das Glück, auf diese Weise auch die deutsche Einheit mitgestalten zu können. Mit seiner gewinnenden Klugheit, seiner bildhaften Sprache und seinem schalkhaften Humor wurde der Bischof von Mainz zu einem Liebling der Medien. In der erbitterten Auseinandersetzung mit Papst Johannes Paul II. und Kurienkardinal Ratzinger um die Schwangerschaftskonfliktberatung gewann Lehmann auch die Achtung vieler Atheisten, ja sogar ihre Herzen. In der Ökumene war er ein unermüdlicher Brückenbauer zu den evangelischen Glaubensbrüdern. All dies trug Lehmann den Ruf eines Liberalen ein, der ihm im Dialog mit Rom zuweilen geschadet hat. Die ewige Konkurrenz zu Kardinal Meisner - dem Dogmatiker auf dem Kölner Bischofsstuhl - verleitete Lehmann schließlich dazu, Papst Benedikt im Alter von 75 Jahren seine Bereitschaft um eine Verlängerung seiner Bischofszeit zu signalisieren. Eine tragische Entscheidung. Ihn persönlich kosteten die letzten Amtsjahre viel zuviel Kraft, während das Bistum auf dringend benötigte Reformanstöße wartete. Wie sein Nachfolger diese Herkulesaufgabe angehen wird, kann Karl Lehmann nicht mehr erleben. Mit ihm hat uns ein warmherziger Intellektueller, ein streitbarer Versöhner und ein fehlbarer Allwissender verlassen. Ruhe in Frieden sei ihm beschieden. Und wenn es im Tod doch ein bisschen Gerechtigkeit geben sollte, wird er diesen Frieden ganz sicher finden.
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