BERLIN (Dow Jones)--Eine Hardwarenachrüstung manipulierter Dieselfahrzeuge ist anders als von Teilen der Bundesregierung dargestellt offenbar doch möglich und finanzierbar. Zu diesem Schluss kommt das sogenannte Wachtmeister-Gutachten, über das am Freitag Der Spiegel und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) berichteten. "Nach heutigem Erkenntnisstand ist aus meiner Sicht eine Nachrüstung von Euro-5-Fahrzeugen mit verträglichem Aufwand möglich", schreibt demnach Professor Georg Wachtmeister von der TU München. Das Verkehrsministerium als Auftraggeber der Studie erklärte, die Meinungsbildung zu dem Thema sei noch nicht abgeschlossen.
Das Gutachten empfiehlt Spiegel und DUH zufolge die Nachrüstung von Dieselautos mit sogenannten SCR-Katalysatoren. "Aus jetzigen Abschätzungen geht hervor, dass sich der Kostenrahmen in einer realisierbaren Größenordnung bewegt", wird Wachtmeister zitiert. Der Gutachter weise nach, dass die benötigten Komponenten zu einem "Großteil bereits entwickelt" seien. Für viele Fahrzeugtypen der Schadstoffklasse Euro 5, vor allem jene, die auch in die Vereinigten Staaten exportiert werden, stünden sogar schon zugelassene Katalysatoren bereit. Die Umwelthilfe will das Gutachten am Freitag um 18 Uhr auf ihrer Website freischalten.
Ministerium tritt auf die Bremse
Die Umweltschützer warfen der Bundesregierung vor, das Gutachten seit knapp vier Monaten zurückzuhalten. Alle Versuche der DUH, die Studie auf offiziellem Weg als Mitglied der seit fünf Monaten nicht mehr tagenden Expertengruppe 1 zu erhalten, seien erfolglos geblieben.
Das Verkehrsministerium erklärte auf Anfrage, im Rahmen des Nationalen Forums Diesel seien vier Expertengruppen ins Leben gerufen worden. Die Expertengruppe 1 beschäftige sich mit "Emissionsreduzierung in den im Verkehr befindlichen Fahrzeugflotten". In diesem Kontext seien wissenschaftliche Untersuchungen zur Möglichkeit der Hardware-Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen beauftragt worden.
Bei dem Wachtmeister-Gutachten handele es sich um eine von mehreren Untersuchungen, die das BMVI in Auftrag gegeben hat. Die Untersuchungen seien insgesamt noch nicht abgeschlossen und das Ergebnis der Expertengruppe 1 liege noch nicht vor. "Zu einer möglichen Hardwarenachrüstung von Diesel-Pkw und deren Auswirkungen ist die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen."
Minister Andreas Scheuer (CSU) wurde mit seiner bekannten Haltung und den Worten zitiert, er habe bei Hardware-Nachrüstungen "erhebliche rechtliche, technische und finanzielle Bedenken. Da steckt man viel Geld in alte Wagen, anstatt Innovation in der Antriebstechnik zu fördern."
Umweltbundesamt: Software reicht nicht
Der CSU-Politiker will die zu hohen Schadstoffkonzentrationen in den Städten mit Software-Updates bei Dieselautos oder Austauschprogrammen von Stadtbussen lösen. Doch nach einer neuen Auswertung des Umweltbundesamts reichen diese Maßnahmen nicht aus, die Stickoxidgrenzwerte einzuhalten, wie der Spiegel berichtete. So würden die Schadstoffwerte zum Beispiel in Mainz und München bis ins Jahr 2020 nicht unter den zulässigen Grenzwert sinken. In der bayerischen Landeshauptstadt würden selbst im Jahr 2025 die Luftreinhaltevorschriften nicht eingehalten, zitiert das Nachrichtenmagazin die Experten aus dem Amt in Dessau.
Demnach wären es im Jahr 2020 noch fast zwei Dutzend Städte, die deutlich mehr Stickoxid ausstoßen als erlaubt, allen voran Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg und Kiel. "Unsere Berechnungen zeigen: Umweltprämie und Software-Updates werden die Luft in den hochbelasteten Städten auch in den nächsten Jahren nicht sauber genug machen", sagte die Präsidentin des Umweltbundesamts, Maria Krautzberger, dem Spiegel.
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April 27, 2018 10:05 ET (14:05 GMT)
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