Bielefeld (ots) - Man muss ideologisch sehr verbohrt sein, wenn man vorgibt, mit einem Angriff auf den Rechtsstaat den Rechtsstaat zu verteidigen. Der Frontalangriff des CSU-Landesgruppenchefs im Bundestag, Alexander Dobrindt, auf die angebliche Bedrohung des Rechtsstaates durch das geltende Asylrecht und dessen Durchsetzung vor Gericht aber stellt den Rechtsstaat selbst in Frage. Nichts anderes bedeutet es, wenn man mit ideologischen Kampfbegriffen arbeitet, wie Dobrindt es tut: Von einer "Anti-Abschiebe-Industrie" spricht der CSU-Chefideologe beispielsweise. Er nennt die Anrufung von Gerichten "Klagewellen", die die "Durchsetzung des Rechtsstaates sabotieren" sollen, spricht von "bewusst herbeigeführter Überlastung". Grenzen sieht Dobrindt überrannt, missachtet von "Abschiebe-Saboteuren". Der "Schutz der Täter" werde "über den Schutz der Bürger" gestellt, der Rechtsstaat "von innen heraus" bekämpft. Das alles sind Formulierungen, die uns in der Geschichte ähnlich bereits begegnet sind und im aktuellen rechtsradikalen Milieu wiedergefunden werden können. Das ist antidemokratisch und gefährlich. Es stellt dazu die politische Debatte darüber auf den Kopf. Ein Teil der demokratisch legitimierten Parteien und ihre Spitzen gefallen sich darin, aus Furcht vor einem vermeintlichen Populismus das Geschäft des Populismus selbst zu besorgen. Statt mit klarer Haltung die Werte einer demokratischen Grundordnung und ihrer sehr gut funktionierenden Gewaltenteilung zu unterstützen und zu festigen huldigen sie dem Irrglauben, man könne Wahlergebnisse retten, indem man das Original kopiert und den Rechtsstaat angreift. Das alles würde noch unberührt lassen, wenn man nicht in dieser Politiker-Generation immer häufiger eine erschreckende Gewissenlosigkeit gegenüber der gewachsenen demokratischen Kultur der Bundesrepublik beobachten müsste. Erst an diesem Wochenende musste auch FDP-Chef Lindner noch einmal nachbessern und erklären, dass sein Beispiel von der Angst vor Ausländern in der Schlange vor der Bäckerei von ihm nicht als Alltagsrassismus gemeint sei. Dieses Land steht an einem Scheideweg. Gefragt sind aufrechter Gang und politische Kultur. Beides ist zwingend erforderlich für den Bestand unserer Demokratie. Beides zu verteidigen gegen den Populismus ängstlicher Kleinparteien wie der CSU und der FDP ist der Auftrag der politischen Führung. Man erwartet sie von dieser Bundesregierung - mindestens von den Führungsfiguren in ihr, die nicht der CSU angehören.
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