Union und SPD sind uneins über das Vorhaben der EU-Kommission, Beitrittsverhandlungen mit Albanien aufzunehmen: Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU), lehnt entsprechende Gespräche mit Albanien strikt ab. "Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich klar gegen eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien", sagte Krichbaum der "Welt" (Freitagsausgabe).
Das Land habe zwar "zahlreiche Reformen" eingeleitet, "diese müssen aber jetzt erst umfassend umgesetzt werden". Dies gelte insbesondere für die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, "die oftmals in höchste Regierungskreise hineinreicht". Die Europäische Kommission, die für den Beginn von Beitrittsverhandlungen plädiert, sei "mitunter etwas zu gutgläubig", monierte der CDU-Politiker. Mit Blick auf Verhandlungen mit Mazedonien könne man "hingegen den nächsten Schritt machen", sagte Krichbaum.
Nach der Lösung des langjährigen Namensstreits mit Griechenland und deren Blockadehaltung solle man "hier die jetzt offene Türe nutzen und ein 'konditioniertes Ja' sagen, zumal das Land weiter ist als Albanien", sagte Krichbaum. Das jüngste Plädoyer von Außenstaatsminister Michael Roth (SPD) zugunsten von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien in der "Welt am Sonntag" habe er "zur Kenntnis genommen", sagte Krichbaum: "Herr Roth ist Teil der Exekutive, er weiß, dass er an das Votum des Deutschen Bundestages gebunden ist." Der SPD-Europapolitiker Axel Schäfer sprach sich für die Aufnahme von Verhandlungen mit beiden Ländern aus. "Die EU ist so gefestigt, um Albanien und Mazedonien eine europäische Perspektive anbieten zu können. Der Europäische Rat sollte jetzt Ja sagen zu Beitrittsverhandlungen", sagte Schäfer der "Welt".
Es gehe darum, "Stabilität zu exportieren, statt Instabilität zu importieren". Die Beitrittsverhandlungen würden ein langer Prozess, aber "das Ziel von Beitrittsverhandlungen ist der Beitritt". Albanien und Mazedonien sind nach Ansicht des Sozialdemokraten bereits zwei entscheidende Schritte gegangen.
"Albanien ist unser Partner in der Nato, mit Mazedonien verbindet uns Visafreiheit. Wer sich die Geografie der Region anschaut, muss zu dem Schluss kommen, dass eine EU-Mitgliedschaft nahelegt. Versperren wir Albanien und Mazedonien diese Möglichkeit, werden andere Großmächte ihre Chance nutzen und diese Länder unter ihren Einfluss bringen", sagte Schäfer. Das dürften "Deutschland und die EU nicht zulassen."
Die europapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Franziska Brantner, forderte eine "EU-Perspektive" für Albanien und Mazedonien. "Wenn die Menschen in diesen Staaten spüren, dass es trotz aller harten Reformen keine solche Perspektive gibt, sind Rückschritte bei Demokratie, Rechtsstaat, Wirtschaft zu befürchten", sagte Brantner der Zeitung. "Auch geostrategisch sind EU-Beitrittsverhandlungen sinnvoll, andernfalls werden Saudi-Arabien, China und Russland ihren Einfluss in der Region vergrößern." Albanien habe in den vergangenen Jahren viele harte Reformen eingeleitet, diese auch von deutscher Seite transparent überprüfen lassen, sagte Brantner.
Mazedonien habe "ebenfalls viele Fortschritte gemacht". Sie fügte hinzu: "Der Europäische Rat im Juni sollte grünes Licht für Beitrittsverhandlungen mit der EU geben. Solche Verhandlungen aber sind kein Blankoscheck für einen Beitritt; sie können auch scheitern."