Regensburg (ots) - Die Welt ist mehr als Schwarz und Weiß. Im Verhältnis zwischen Deutschland und Russland zeigen sich besonders krass die Widersprüchlichkeiten, mit Schattierungen in sämtlichen Grautönen. Wer unterteilt in "hier gut" und "dort böse" und das Gespräch abbricht, wird den komplexen Beziehungen erstens nicht gerecht und schadet zweitens - beiden Seiten. Darauf besinnt sich offenbar auch eine Reihe prominenter Sozialdemokraten, die auf Abstand zu jüngsten Äußerungen von Heiko Maas (SPD) geht. Der Bundesaußenminister war zuletzt vorgeprescht und hatte eine schärfere Gangart gegenüber Putin angekündigt. Vor der Beratung des SPD-Vorstands am Montag über die außenpolitische Linie der Partei prasselte die Kritik aus den eigenen Reihen auf Maas nieder. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) etwa pochte auf "permanenten Dialog"; der sei das Wichtigste im Umgang mit schwierigen Partnern. Das Wort "schwierig" ist, wenn man die Beziehung zu Russland beschreiben will, eine Untertreibung. Unter Wladimir Putin setzt das Land seit Jahren ohne Rücksicht auf Verluste oder internationales Recht seine Interessen durch und verfolgt eine scharfe antiwestliche Kehrtwende. Die Einverleibung der Krim, Aggressionen gegen die Ostukraine, Cyberattacken, der Giftanschlag auf die Skripals in Großbritannien, die Unterstützung von Kriegsverbrechern wie Syriens Staatschefs Baschar al-Assad oder der staatliche Terror gegen Regimegegner: so weit so schlecht. Aber wer sich moralisch auf das hohe Ross setzt, verspielt diplomatische Chancen. Im Streit um das Atomabkommen mit dem Iran zum Beispiel sind Deutschland und Russland erstmals seit langer Zeit in einer bedeutenden internationalen Frage einer Meinung, auch in der Syrien-Frage deuten sich gemeinsame Anknüpfungspunkte an. Innenpolitisch hat ein entspannteres Verhältnis zum Kreml ebenfalls Charme, und zwar für die etablierten Parteien in der Mitte. Denn Putin findet seine Anhänger in Deutschland vor allem am linken und rechten Rand. Außerdem liebäugelt die SPD, die dringend Profil braucht, mit einem aufgefrischten Image als Friedenspartei. Auch deshalb fahren die SPD-Granden Heiko Maas so lautstark in die Parade. Hinzu kommt: Die Reaktionen auf Putins Grenzübertretungen verfehlen ihre Wirkung. Beobachter nennen die Wirtschaftssanktionen sogar "das Beste, was Russland passieren konnte", weil es gezwungen ist, die Eigenproduktivität hochzuschrauben und seine Kräfte zu mobilisieren. Der Blick auf Ostbayern, wo Russland im Export unter den Top 15 rangiert, zeigt: Die Wirtschaftsbeziehungen sind relativ stabil, Sanktionen hin oder her. Nach einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags sehen zwar 62 Prozent der Befragten im Austausch mit Russland die höchste Zunahme von Handelshemmnissen. Doch trotz der politischen Spannungen und obwohl der Markt nicht so offen ist, wie die Wirtschaft möchte, weist der Export sogar Zuwachs auf. Bayern etwa exportierte 2017 deutlich mehr Maschinen, Pkw und chemische Erzeugnisse als noch 2016. Wirksamer als Sanktionen wäre es, russisches Vermögen im Ausland einzufrieren. Wer im Umgang mit Russland die unterschiedlichen Interessenslagen und die widersprüchlichen Folgen im Blick behalten will, jongliert in größer Höhe auf einem dünnen Seil mit einem Dutzend Bällen gleichzeitig. "Immer nur Dialogbereitschaft zu signalisieren, das hat uns doch dahin gebracht, wo wir heute stehen", wird ein Vertrauter von Heiko Maas zuletzt zitiert. "Nichts bewegt sich." Das mag so sein, aber: Ohne Reden wird der Stillstand zementiert.
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