Regensburg (ots) - Der für Sonntag angesetzte "Gipfel vor dem Gipfel" zum Thema Migration sorgt in Brüssel für viele Fragezeichen. Wer hat sich das Treffen ausgedacht? Wer wird eingeladen, und wer spielt den Gastgeber? Was soll besprochen werden? Der eigentlich zuständige Ratspräsident Donald Tusk ließ wissen, er habe keine Zeit. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte, er sei nicht der Gastgeber, stehe aber als Teilnehmer zur Verfügung. Was keiner sagte, die meisten aber dachten: Nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern ihr Innenminister Horst Seehofer ist der eigentliche Veranlasser der Zusammenkunft. Juncker schickte zur Vorbereitung den Entwurf einer Erklärung herum, die den verzweifelten Versuch unternimmt, Seehofers Wünschen entgegenzukommen und doch die gemeinschaftliche Asyl- und Migrationspolitik zu retten. Einseitige, nicht abgesprochene Maßnahmen würden die europäische Integration schwer beschädigen und möglicherweise das Ende der grenzfreien Schengenzone bedeuten, heißt es warnend in dem Papier. Dann, quasi als Verbeugung vor dem deutschen Innenminister: Man sehe aber die dringende Notwendigkeit, ungesetzliche Grenzübertritte von illegalen Migranten und Asylbewerbern deutlich zu reduzieren und sicherzustellen, dass der zuständige Aufnahmestaat die Menschen zurücknehme. Wie das geschehen soll, verrät der Entwurf nicht, dessen Existenz ein Sprecher von Juncker gestern nicht einmal bestätigen wollte. Stattdessen werden die altbekannten Rezepte wiederholt: Die Zusammenarbeit mit Transitländern wie Ägypten, Libyen, Marokko, Niger und Tunesien soll intensiviert werden. Nehmen sie Flüchtlinge zurück, erhalten sie im Gegenzug finanzielle Unterstützung der EU. Gelobt wird die von Hilfsorganisationen als brutal und unmenschlich kritisierte Arbeit der libyschen Küstenwache. Auch das Mandat der EU-Rettungsflotte im Mittelmeer wird positiv hervorgehoben, obwohl es seit dem Regierungswechsel in Italien auf der Kippe steht, da sich die neue Regierung weigert, die Schiffe in heimische Häfen einfahren zu lassen. Erstaufnahmelager außerhalb der EU werden als Entlastungsmöglichkeit genannt - ohne zu präzisieren, welches Drittland dazu bereit wäre und wie dort europäische Asylstandards gewährleistet werden sollen. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, die Liste sicherer Drittstaaten, in die abgeschoben werden kann, zu verlängern - seit Jahren ein ungelöster Streitpunkt zwischen humanitär und hart eingestellten EU-Ländern. Einige Punkte lesen sich wie eine direkte Antwort auf Seehofers Forderungen. So werden Ankerzentren als Mittel gegen Asylmissbrauch ebenso erwähnt wie die Möglichkeit, Bus- und Zugstationen sowie Flughäfen innerhalb des Schengenraums zu überwachen, um den Grenzübertritt von bereits registrieren Flüchtlingen von einem EU-Land ins andere zu verhindern. Doch das wird lediglich dazu führen, dass die in Deutschland aufgegriffenen Menschen mit dem Segen der EU-Kommission im Dominoverfahren in eins der Länder zurückgeschoben werden, die an Europas äußeren Rändern liegen. Selbst wenn, wie von Brüssel vorgeschlagen, die EU-Küsten- und Grenzwache in Rekordzeit von aktuell 1300 auf 10 000 Beamte verstärkt wird, können die an den Außengrenzen ankommenden oder wieder dorthin zurückgeschickten Flüchtlinge ja nicht einfach am Grenzbaum ausgesetzt werden. Seehofers Forderungen blockieren, ebenso wie die Pläne Victor Orbans in Ungarn oder Italiens neue harte Haltung, jede Hoffnung auf eine gesamteuropäische Lösung. Solange die Flüchtlingszahlen weltweit steigen, wird der Druck auf Europa nicht nachlassen. Nationale Alleingänge ändern daran nichts, vertiefen aber die Spaltung der Union.
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