--Seehofer bleibt Bundesinnenminister
--Lösung sind grenznahe Transitzentren
--Regierungskrise abgewendet
(NEU: mehr Merkel, Seehofer, Hintergrund)
Von Stefan Lange
BERLIN (Dow Jones)--CDU und CSU haben nach wochenlangem Streit einen Kompromiss in der Asylpolitik gefunden und damit die Regierungskrise beendet. Flüchtlinge sollen künftig in sogenannten Transitzentren untergebracht werden und von dort in Absprache mit den Ländern, in denen sie bereits registriert sind, "rücküberführt" werden, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel nach mehrstündigen Beratungen am späten Montagabend in Berlin erklärte. Bundesinnenminister Horst Seehofer zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis und erklärte, er werde im Amt bleiben. Der CSU-Politiker hatte zuvor mit Rücktritt gedroht.
Merkel erklärte, sie freue sich sehr, dass CDU und CSU einen Kompromiss erreicht hätten, der für Steuerung und Ordnung der Sekundärmigration sorge. Mit dem Ergebnis sei "genau der Geist der Partnerschaft in der Europäischen Union gewahrt", erklärte die Parteivorsitzende. Deshalb glaube sie, "dass wir heute nach hartem Ringen und schwierigen Tagen einen wirklich guten Kompromiss gefunden haben".
Seehofer froh
Seehofer sagte, man habe sich "nach sehr intensiven Verhandlungen geeinigt". Es gebe nun "eine klare Vereinbarung, wie wir die illegale Migration in der Zukunft an den Grenzen zwischen Deutschland und Österreich verhindern". Er sei "froh, dass diese Einigung gelungen ist. Es hat sich wieder einmal gezeigt: Es lohnt sich, für eine Überzeugung zu kämpfen". Was vereinbart worden sei, sei eine "klare, für die Zukunft sehr, sehr haltbare Übereinkunft", sagte Seehofer. Diese klare Übereinkunft, die in allen drei Punkten seinen Vorstellungen entspreche, erlaube ihm, dass er sein Amt weiterführe.
Erster Punkt der Vereinbarung ist, dass es an der deutsch-österreichischen Grenze "ein neues Grenzregime" geben soll. Damit soll nach dem Willen von CDU und CSU sichergestellt sein, "dass wir Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise hindern". Dies hatten CSU und Seehofer während der letzten Wochen gefordert.
Aufenthalt im Niemandsland
Zweitens vereinbarten CDU und CSU, dass für die Abschiebung sogenannte Transitzentren eingerichtet werden sollen, aus denen die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. Diese "Zurückweisung" soll auf "Grundlage einer Fiktion der Nichteinreise" getroffen werden. Diese Regelung ist auch als Flughafenregelung bekannt. Die Flüchtlinge betreten demnach formal nicht deutschen Boden, sondern halten sich sozusagen im Niemandsland auf. CDU und CSU wollen dafür "nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen oder das Benehmen herstellen".
Drittens soll es in den Fällen, in denen Länder Verwaltungsabkommen über eine direkte Zurückweisung verweigern, eine Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze aufgrund einer Vereinbarung mit der Regierung in Wien geben.
Merkel verliert
Mit dem Kompromiss hat sich die CSU im Grundsatz gegen Merkel durchgesetzt. Die Christsozialen hatten - anders als Merkel - argumentiert, dass sich Flüchtlinge in normalen Ankerzentren ohne die sogenannte Flughafenregelung auf deutschem Boden befinden würden und damit nur schwer abgeschoben werden könnten. Dies würde "Anreize" für die Flüchtlinge schaffen und den Zuzug nach Deutschland noch verstärken. Aus CSU-Sicht ist mit der "Flughafenregelung" dies nun nicht mehr möglich.
Mit dem Kompromiss ist in letzter Minute die Regierungskrise beendet und eine Staatskrise abgewendet worden. Ungeklärt war am Abend noch, ob die SPD den Kompromiss mitträgt. Die Sozialdemokraten hatten sich zuletzt allerdings offen für die Einrichtung von Anker- beziehungsweise Transitzentren gezeigt.
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July 02, 2018 17:24 ET (21:24 GMT)
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