Regensburg (ots) - Anders als beim Auftakt vor fünf Jahren ist der Prozess gegen den Nationalsozialistischen Untergrund - kurz NSU - in der öffentlichen und medialen Aufmerksamkeit sehr weit nach hinten gerückt. Wegen des riesigen Medienandrangs hatte das Oberlandesgericht seinerzeit Plätze für Pressevertreter per Losentscheid vergeben. Nur wer Glück hatte, durfte direkt aus dem Gerichtssaal berichten. In den vergangenen fünf Jahren jedoch schleppte sich der Mammutprozess schier endlos dahin. Nun soll ein - zumindest juristisches - Ende gesetzt werden. Doch egal, wie die Urteile ausgehen mögen, es werden viele Fragen unbeantwortet bleiben. Vor allem für die Angehörigen der zehn Todesopfer, die von den Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos umgebracht worden waren, dürfte es keine Genugtuung sein, dass nicht die Mörder selbst, sondern die mutmaßliche Komplizin Beate Zschäpe und vier weitere Helfer verurteilt werden. Sie alle haben dazu beigetragen, dass zwei von rassischer Ideologie getriebene junge Männer mehrfach gemordet und weitere Verbrechen begangen haben. Die mehr oder minder schwere Schuld jedenfalls hat kaum oder gar nicht zu wirklicher Reue bei den fünf Angeklagten geführt. Der ebenfalls vor Gericht stehende Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben etwa, der das NSU-Trio im Untergrund unterstützte und auch die Tatwaffe besorgte, bleibt auch nach fünf Jahren Verhandlung bei seiner völkischen Einstellung. Er habe zwar nichts gegen Ausländer, fürchte aber, dass massenhafte Zuwanderung die Kultur des deutschen Volkes zerstören könne. Ein solches Denkmuster ist freilich nicht all zu weit entfernt von heutigen Ressentiments gegen Asylsuchende. Wobei es immer noch einen großen Unterschied gibt zwischen der Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen einerseits und andererseits dem Gutheißen von Morden, Brandstiftungen und Gewalt gegen diese Gruppe von Menschen, die bei uns Zuflucht suchen. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe hat in ihrem Schlusswort vergangene Woche zwar erneut die Angehörigen der Opfer um Entschuldigung gebeten, doch nur sie allein weiß, ob dies aus tiefer innerer Überzeugung geschah oder nur aus prozesstaktischen Erwägungen. Während der fünf Jahre vor Gericht ist Zschäpe vor allem durch eines aufgefallen: durch monatelanges Schweigen. Sie will dem Gericht weismachen, dass sie die unschuldige Putzfrau im gemeinsamen Haushalt des NSU-Trios war. Von den Morden habe sie immer erst im Nachhinein erfahren. Aber warum hat sie selbst dann nichts unternommen, um Böhnhardt und Mundlos vom Morden abzuhalten? Zschäpe spielt die Naive, um das Strafmaß zu drücken. Glaubwürdig ist sie damit nicht. Zudem wurden die NSU-Morde begünstigt von einer Kette von Behördenversagen. Trotz Hinweisen auf ein fremdenfeindliches Motiv der Verbrechen verfolgten die Ermittler jahrelang Spuren in ein vermutetes kriminelles Umfeld der Opfer. Die Getöteten und ihre Familien wurden damit abgestempelt, selbst als potenzielle Verbrecher behandelt. Viel zu spät kamen die Ermittler auf den ideologischen Hintergrund, der den Taten zugrunde lag. Obendrein haben sich das Bundeskriminalamt, einige Landeskriminalämter sowie beteiligte Verfassungsschutzbehörden durch peinliche Schlampereien, Aktenvernichtungen, den laxen Umgang mit V-Leuten bis auf die Knochen blamiert. Der NSU-Skandal ist auch ein schlimmer Fall von behördlichem Versagen. Das Münchner Oberlandesgericht kann all das nicht ungeschehen machen, aber zumindest könnte es mit gerechten, wohlbegründeten Urteilen erst einmal einen juristischen Schlusspunkt unter einen aufwendigen Mammutprozess setzen. Die politische Aufarbeitung freilich wird weitergehen. Die Fragen der Angehörigen der Opfer und ihr Leid bleiben.
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