Berlin (ots) - Kurzform: Eines bleibt sicher: Die Rente ist ungerecht. Nicht alle, aber doch sehr viele Rentner haben den Eindruck, dass die Geldsumme, die sie jeden Monat von der Rentenversicherung bekommen, ihre Lebensleistung nicht ausreichend würdigt. Daran wird auch der "Rentenpakt" nichts ändern, den Sozialminister Hubertus Heil nun schmieden will. Obwohl der SPD-Politiker das Vertrauen in die Rentenversicherung stärken will, macht er die Fehler seiner Vorgänger. Er schraubt hier und da herum und bewirkt das genaue Gegenteil: Die Rente wird unübersichtlicher, unsicherer und damit ungerechter.
Der vollständige Leitartikel: Eines bleibt sicher: Die Rente ist ungerecht. Nicht alle, aber doch sehr viele Rentner haben den Eindruck, dass die Geldsumme, die sie jeden Monat von der Rentenversicherung bekommen, ihre Lebensleistung nicht ausreichend würdigt. Daran wird auch der "Rentenpakt" nichts ändern, den Sozialminister Hubertus Heil nun schmieden will. Obwohl der SPD-Politiker das Vertrauen in die Rentenversicherung stärken will, macht er die Fehler seiner Vorgänger. Er schraubt hier und da herum und bewirkt das genaue Gegenteil: Die Rente wird unübersichtlicher, unsicherer und damit ungerechter. Beispiel Mütterrente: Den dritten Rentenpunkt nur Eltern zu gewähren, die drei oder mehr Kinder geboren haben, ist absurd. Sind zwei Kinder oder auch nur ein Kind etwa weniger wert? Haben ihre Mütter und Väter etwa damals auf weniger verzichtet, um den Nachwuchs zu betreuen? Es sind solche offensichtlichen Ungerechtigkeiten, die das Vertrauen in die Rentenversicherung erodieren lassen. Sicher, ein voller Rentenpunkt für alle Mütter (und Väter) wäre doppelt so teuer geworden. Aber Geschenke muss man sich auch leisten können. Die Bundesregierung kann sich die Mütterrente aber nicht leisten, sonst hätte sie den Rentenpunkt aus Steuermitteln bezahlt. Das wäre angemessen gewesen, weil die - grundsätzlich richtige - nachträgliche Honorierung der Kindererziehung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Stattdessen greifen Union und SPD in die Rentenkasse und belasten die Beitragszahler. Noch so eine Ungerechtigkeit. Vor diesem Hintergrund wirkt es geradezu paradox, dass Finanzminister Olaf Scholz eine "Demografiereserve" aus Steuergeld anlegen will, die sich langsam füllen soll, um die Rentengeschenke dieser und der letzten großen Koalition in den nächsten Jahren noch bezahlen zu können. Das Geld solle "ausschließlich für die Einhaltung der Beitragssatzobergrenze von 20 Prozent verwendet werden", heißt es im Gesetz. So ehrbar diese Idee auch sein mag: Wer soll das glauben? Gerade in der Sozialpolitik hat bisher noch jeder Minister alle Prinzipien und Versprechen fahren lassen, wenn er in finanzielle Not geriet. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies nach neun Jahren Aufschwung bald passieren wird, ist groß. Und dann soll Geld im Bundeshaushalt unangetastet bleiben? In einem Punkt immerhin macht sich die Bundesregierung ehrlich: Sie gesteht offen ein, dass die gesetzliche Rente ohne noch mehr Steuergeld kaum mehr zu retten sein wird. Gibt es nicht schnell viel mehr Beitragszahler (was nur durch mehr Zuwanderung möglich wäre), dann wird bald mehr als ein Drittel des Bundeshaushalts in die Rentenkasse fließen. Die Folgen dieser Entwicklung liegen freilich auf der Hand: Es steigt die Gefahr einer Rentenpolitik nach Kassenlage. Das Grundprinzip der gesetzlichen Rente aus Leistung und Gegenleistung geht noch etwas weiter verloren. Steuerzahler, die nicht gesetzlich rentenversichert sind, fragen sich: Wofür zahle ich da eigentlich? Auch das stärkt nicht das Vertrauen in die Rente. Das Kernproblem ist und bleibt, dass in wenigen Jahren immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Rentner für eine immer längere Zeit finanzieren müssen. Noch höhere Rentenbeiträge will keiner zahlen, ein noch niedrigeres Verhältnis der Durchschnittsrente zum Durchschnittslohn will keiner hinnehmen. Eine längere Lebensarbeitszeit kommt für viele nicht infrage. Man darf gespannt sein, zu welchen Ergebnissen die Rentenkommission kommen wird, die sich über die Zukunft nach dem Jahr 2025 Gedanken macht.
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