In der CSU wächst die Kritik an Parteichef Horst Seehofer. "Sein Agieren verwundert und befremdet mittlerweile viele", sagte Seehofers Vorgänger an der Parteispitze, Erwin Huber, dem "Spiegel".
"Im Landtag ist bei der CSU die anfänglich volle inhaltliche Zustimmung zu Seehofers Asylpolitik einem Ratespiel gewichen." Er werde von vielen gefragt, ob Seehofer die Landtagswahl und damit Markus Söder belasten wolle oder das billigend in Kauf nehme, berichtet Huber. Mit Blick auf Seehofers Tendenz, einsame Entscheidungen zu fällen, fügt Huber hinzu: "Man kann eine Volkspartei nicht vom Raumschiff aus steuern." Tatsächlich formiert sich an der CSU-Basis Widerstand gegen die Parteiführung.
Die von liberalkonservativen CSU-Mitgliedern sowie Amts- und Mandatsträgern gemeinsam mit Gleichgesinnten aus der CDU gegründete Initiative "Union der Mitte" hat seit dem Flüchtlingsstreit der Schwesterparteien regen Zulauf. Die Vereinigung ist in den letzten drei Wochen auf rund 1.200 Unterstützer angewachsen. "Flüchtlinge sind keine Sündenböcke für Entwicklungen, die in unserer Gesellschaft schieflaufen", sagt Stephan Bloch, Gründer der "Union der Mitte". Der Münchner fordert von Seehofer eine Entschuldigung für dessen Scherz auf Kosten der 69 Menschen, die an seinem Geburtstag nach Afghanistan abgeschoben wurden: "Ich wünsche dem Parteivorsitzenden, dass er mit 69 Jahren den richtigen Moment für einen Rückzug von seinen Ämtern findet."
Um ihrem Ärger über die Flüchtlingspolitik Luft zu machen, solidarisieren sich auch lokale Würdenträger mit der "Union der Mitte". In einem Brandbrief schreibt der Bürgermeister der Gemeinde Hebertshausen, Richard Reischl (CSU), seine Partei behandle "manche Menschen wie Dreck", um Stimmen am rechten Rand zu fischen. Darüber vernachlässige die CSU die echten Probleme des Landes, es gehe nur noch "um Wahlen, Machterhalt und Funktion". Auch bei Rechtsanwälten stößt Seehofers "Masterplan Migration" auf scharfe Kritik.
"Seehofer offenbart ein gebrochenes Verhältnis der CSU zum Recht", sagt Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Schellenberg kritisiert vor allem einen bislang wenig beachteten Passus in Seehofers 23-seitigem Konzept, wonach der CSU-Chef zur "Optimierung asyl gerichtlicher Verfahren" prüfen will, wie sich abgelehnte Asyl bewerber noch während ihrer laufenden Rechtsmittelverfahren abschieben lassen. "Damit fordert der Bundesinnenminister, Asylsuchenden den Weg zu einer gerichtlichen Überprüfung zu verwehren", sagt Schellenberg. Dies verstoße gegen den verfassungsgerichtlichen Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes für jeden.