Bielefeld (ots) - Gäbe es ihre Boote nicht, würden sich die meisten Menschen gar nicht erst aufs Meer wagen und die Schlepper ihre Geschäftsgrundlage verlieren: Das ist der zentrale Vorwurf gegen die privaten Seenotretter auf dem Mittelmeer. Es stimmt: Die Retter werden mittlerweile von den Schleppern einkalkuliert. Dank Satellitenortung wissen sie genau, wo sich deren Schiffe befinden. Dieses Wissen verwandeln die Schlepper in Geld: Sie statten die völlig überfüllten Schlauchboote nur mit so viel Benzin aus, dass sie internationale Gewässer erreichen. Somit werden die Seenotretter Teil des Geschäfts. Aber sie paktieren nicht mit den Schleppern und profitieren auch nicht davon. Sie haben die Fluchtbewegung aus Afrika auch nicht ausgelöst, sondern lediglich darauf reagiert. Die Seenotretter wollen nur eines: Menschen retten. Der Vorwurf, sie seien eine Art »Taxiservice«, hat es trotzdem in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft und in die Politik geschafft. Innenminister Horst Seehofer (CSU) fordert, dass es zwischen Libyen und Europa keinen »Shuttle« geben dürfe. Und Italiens Innenminister Matteo Salvini nennt die Retter »Vizeschlepper«. »Je mehr man rettet, desto mehr kommen doch!« oder »Lasst doch mal ein paar ertrinken, dann wissen alle, was passiert.« Solche Sätze sagt man inzwischen in Büros und auf Partys. Das ist mehr als nur die Verrohung der Sprache. Die moralischen Grenzen haben sich verschoben. Die Frage zu stellen, ob man Menschen, die in Lebensgefahr sind, retten oder lieber sterben lassen sollte, ist der erste Schritt in die Barbarei. Wir Europäer haben die Empathie für die Flüchtlinge verloren. Warum? Weil sie uns mit ihrem Elend und ihrer Not nahegerückt sind. Sie erinnern uns daran, dass die Globalisierung, von der wir so profitieren, auch ihren Preis haben könnte. Weit mehr als 1000 Menschen sind seit Anfang des Jahres an den Grenzen der EU ertrunken. Und die reichste Staatengemeinschaft der Welt geht das Problem nicht gemeinsam an. Das ist der Anfang vom Ende eines sich auf Aufklärung und Menschenrechte berufenden Europas. Zur Wahrheit gehört aber auch: Europas Aufnahmefähigkeit ist endlich. Deswegen müssen die Fluchtursachen bekämpft werden. Dafür brauchen die afrikanischen Länder mehr finanzielle Hilfe. Der Terror muss gestoppt, militärische Konflikte müssen gelöst werden. Was es braucht, sind Regeln und mehr Info-Kampagnen, damit den Schleppern, die für ihre Dienste Werbung machen, das Handwerk gelegt werden kann. Vorstellbar sind auch Abkommen, die regeln, jedes Jahr eine bestimmte Zahl von Migranten aufzunehmen. Das ist zwar einfacher gesagt als getan. Aber Europa darf keine Zeit mehr verlieren. Denn Abschreckung hilft nicht, die Flüchtlinge kommen trotzdem.
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