In der EU-Flüchtlingsdebatte hat sich Ungarns Regierungschef Viktor Orban gegen eine gemeinsame europäische Politik ausgesprochen. "Einwanderungspolitik ist keine gemeinsame Aufgabe der EU. Das ist eine nationale Angelegenheit jedes einzelnen Mitgliedsstaates. Seit 2015 hat man versucht, das zu einer Gemeinschaftsaufgabe zu machen - und ist gescheitert", sagte Orban gegenüber "Bild" (Freitagausgabe).
"Die Ungarn haben entschieden: Sie wollen keine Einwanderung. Frauen und Kinder an unserer Grenze bekommen natürlich Hilfe, Einwanderer aus wirtschaftlichen Gründen nehmen wir jedoch nicht auf", so Orban. Würde er die Asylpolitik der deutschen Kanzlerin in Ungarn vertreten, "dann würden mich die Menschen noch am selben Tag aus dem Amt jagen", so Orban.
Es sei nicht seine Aufgabe, die Arbeit der deutschen Kanzlerin zu bewerten, doch sei Merkel in der Frage, wer in Ungarn leben dürfe, nicht zuständig. "Ich würde mir auch nicht erlauben zu entscheiden, wer in Deutschland lebt und wer nicht. Und das sagen wir in aller Höflichkeit." Diesen Standpunkt habe er auch beim letzten EU-Gipfel im Juni gegenüber Merkel vertreten, sich aber dennoch auf Nachfrage der Kanzlerin verhandlungsbereit gezeigt.
"Meine Regel lautet: Wenn Deutschlands Kanzlerin verhandeln möchte, dann sagt Ungarn ja. Oder besser noch: jawohl." Orban betonte die Bedeutung der Parlamentswahlen 2019. "Vor allem die Deutschen sollten wachsam sein." Es gebe ein französisches Konzept, das eine Französische EU-Führung bezahlt durch deutsches Geld vorsehe, sagte der Ministerpräsident des osteuropäischen Nettoempfängerlandes.
"So etwas lehne ich ab. Wir wollen keine französisch geführte Europäische Union. Und wir wollen auch nicht vom Geld anderer leben." Wichtige Entscheidungen innerhalb der EU sollten vor der Wahl zum Europaparlament nicht mehr getroffen werden, so Orban.
Der Ministerpräsident sprach sich dafür aus, die Sorgen östlicher EU-Mitglieder gegenüber Russland ernst zu nehmen: "Für manche EU-Staaten stellt Putin geopolitisch eine echte Bedrohung dar. Deshalb brauchen Länder wie Polen oder die Staaten im Baltikum konkrete Sicherheitsgarantien von NATO und EU. Das muss ihnen gegeben werden, deshalb dränge ich auch seit Jahren auf eine gemeinsame europäische Armee", so Orban. Für andere Regionen wie Ungarn oder Westeuropa sehe er diese Gefahr nicht. Er antwortete auf die Kritik an seiner Kampagne gegen die Soros-Stiftung, der Vorwurf des Antisemitismus sei "eine deutsche Betrachtung. Ich sehe in Soros einen alten ungarischen Spekulanten, einen Vertreter des Casino-Kapitalismus, der sein Geld zur Förderung von Einwanderung ausgibt."
Antisemitismus sei in der Vergangenheit "in Mitteleuropa zurückgedrängt" worden. "In Westeuropa ist jedoch der Antisemitismus, der sich in Taten zeigt, gerade auf eine mit der Einwanderung zusammenhängende Weise immer stärker, das beobachten wir mit Besorgnis", so Orban.