Regensburg (ots) - Der Mensch liebt Sicherheit. Wir Deutsche gelten als Menschen, die Sicherheit noch mehr lieben als andere Völker. Und tun uns folglich umso schwerer damit umzugehen, Sicherheiten zu verlieren; wobei ein großer Unterschied zwischen dem besteht, welche Gewissheiten tatsächlich schwinden, und welche wir mehr gefühlt als wirklich bedroht sehen. Der fatale Fehler dabei: Wir engen unsere Freiheiten und die anderer ein, geben unsere Unbefangenheit auf, legen unser Schicksal in die Hände von autoritären Figuren und vermiesen uns damit ein relativ unbeschwertes Leben. Die Angst schleicht sich in unseren Alltag. Sie führt zu spektakulären Aktionen wie in diesen Tagen in Regensburg. Da ruft ein Gottesdienstbesucher die Polizei, weil ein dunkelhäutiger Mann sich im Dom unsicher bewegt, Drähte aus seiner Kleidung ragen und sich noch etwas darunter verbirgt. Daraus entsteht ein martialischer Polizeieinsatz, bei dem der Verdächtige mit dem Bauch auf dem Boden liegend von Beamten aus der Entfernung und mit auf ihn gerichteten Waffen befragt wird. Terrorverdacht, Krisenszenario. Dass jüngere Menschen häufig Kopfhörer tragen und jemand bei den hohen Temperaturen dieser Tage eine Getränkeflasche mit sich führt, sollte wenig überraschen; auch, dass jemand, der womöglich einer anderen Religion angehört, sich nicht so selbstverständlich in einer Kirche bewegt wie ein hiesiger Katholik. Der Anrufer bei der Polizei hatte wahrscheinlich Bilder von Selbstmordattentätern im Kopf. Aber wie sieht ein "wirklicher" Selbstmordattentäter aus? Was ist ernsthaft verdächtig? Es ist so leicht, einer Wahrnehmung aufzusitzen, welche die Welt für einen zunehmend gefährlichen Ort hält. Und dass Fremde beziehungsweise fremd aussehende Menschen als Bedrohung empfunden werden. Die Angst, Opfer einer Gewalttat durch einen Fremden zu werden, ist groß; das Risiko aber vergleichsweise gering. Gewaltkriminalität sinkt seit zehn Jahren, wissen Kriminologen. Die große Zahl an Flüchtlingen, die inzwischen hinzugekommen sind, wirkt sich offensichtlich nicht entsprechend aus. Es gibt eine gewaltige Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Sicherheit. Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie verirren sich nachts im Wald. Sie werden Angst um Ihr Leben bekommen und sich in den Kreis ihrer Familie sehnen. Tags darauf kehren sie froh und heil zurück nach Hause. Nun blicken Sie in die Kriminalitätsstatistik. Sie stellen fest: Um sicher vor den Gefahren für Leib und Leben zu sein, begeben Sie sich am besten sofort zurück in den Wald. Dort ist seit Jahren niemandem etwas geschehen. Und Sie halten sich dringend von der Familie fern. Ständig ereignen sich im Kreise der Anverwandten Mord und Totschlag. Hier steht Logik gegen Emotion. Wir Menschen können nicht nur logisch denken und handeln. Aber wir sollten uns das immer wieder bewusst machen. Noch nie haben wir so friedlich gelebt wie heute. Wir können, ob Frau oder Mann, in der Oberpfalz nahezu überall gelassen mitten in der Nacht allein durch die Stadt gehen. Es wird sehr, sehr, sehr wahrscheinlich nichts Schlimmes passieren. Die Sicherheit bei uns ist hervorragend. Das ist rund um den Globus eher selten. Wir sollten über unsere Situation glücklich sein. Und alles dafür tun, dass es so bleibt. Deshalb wäre es klug, nicht politisch motivierten Schreihälsen auf den Leim zu gehen, die uns glauben machen wollen, wir lebten in ständig wachsender Gefahr. Besonders in Wahlkampfzeiten macht es sich immer gut, Handlungsbereitschaft zu demonstrieren, Strafverschärfungen erfreuen sich gerade nach aufsehenerregenden Taten großer Zustimmung. Auch wenn es nichts nützt. Sondern schadet.
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