Mainz (ots) - Wegen der hohen Inflation in der Türkei bevorzugen viele Türken stabilere Währungen. Immer mehr Bürger heben Dollars ab - obwohl ihr Präsident sie energisch auffordert, die im Sturzflug befindliche einheimische Währung zu stützen. Man mag den Run auf die Banken als Abstimmung mit den Füßen gegen Erdogan deuten, doch ihre Relevanz ist gering. Im Unterschied jedenfalls zur Abstimmung an den Wahlurnen am 24. Juni, als die Mehrheit der Türken die Macht Erdogans zementierte. Obwohl schon damals klar war, dass die Hybris ihres Präsidenten die Türkei nicht nur immer tiefer in die außenpolitische Isolation, sondern auch in den wirtschaftlichen Abgrund treiben würde. Die Krisenstrategie Erdogans entspricht dem bekannten Verhaltensmuster in die Enge getriebener Autokraten. Er beschwört ein altbewährtes außenpolitisches Feindbild, schwadroniert von einem Wirtschaftskrieg des Westens gegen die Türkei und kokettiert mit einem Nato-Austritt. Man darf bezweifeln, dass Erdogan angesichts der engen wirtschaftlichen Verbindungen insbesondere zur EU zu einem solch radikalen Schritt wirklich bereit wäre. Doch man darf andererseits auch das irrationale Moment in der Politik dieses Mannes nicht unterschätzen: Wie ein kühler Pragmatiker hat er sich bislang jedenfalls nicht verhalten. Wiederannäherung an Europa, Überwindung der Differenzen mit Russland - beide Optionen liegen in Ankara auf dem Tisch. Anfang dieser Woche empfängt Erdogan den russischen Außenminister Lawrow, im September reist er nach Berlin. Im Moment scheint nicht mal Erdogan selbst zu wissen, welchen Kurs er einschlagen wird.
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