Bielefeld (ots) - Die Krise der Türkei betrifft Europa und Deutschland unmittelbar. Und das nicht einmal vorrangig, weil unsere Exportwirtschaft zumindest teilweise einen Markt einbüßen könnte, der mit 21 Milliarden Euro Volumen überschaubar, aber von Bedeutung ist. Bedroht sind vor allem die europäischen Banken, die der Türkei rund 150 Milliarden Euro geliehen und das vermeintliche Wirtschaftswunder am Bosporus finanziert haben, und damit auch der Euro. Denn in erster Linie sind Geldinstitute aus Spanien, Frankreich und Italien vom türkischen Boom auf Pump und der daraus folgenden Lira-Krise betroffen. Es ist kaum vorstellbar, dass die Regierungen dieser Länder ihren geschwächten Banken nicht helfen würden, wenn es zum Schwur kommen sollte - ganz gleich, was die Vorschriften der europäischen Bankenunion vorsehen. Das nennt sich dann »politische Lösung«. Schon jetzt verlieren die Banken an Börsenwert. Was Erdogan derzeit sendet, sind Signale der Verzweiflung. Kein vernünftiger Mensch tauscht seine Geld- oder Goldwerte in türkische Lira um. Solche Appelle machen die Lage noch schlimmer. Auch für uns. Wenn es ihm ans Geld geht, hat Erdogan bislang in der Regel rational und flexibel gehandelt. Doch diese Krise hat eine andere Dimension. Es bedarf keiner ausgeprägten Phantasie, damit zu rechnen, dass der türkische Machthaber ein neues Preisschild an den Flüchtlingsdeal mit der EU kleben wird. Für drei Milliarden Euro pro Jahr dürfte er die mehr als drei Millionen syrischen Flüchtlinge, die in der Türkei in Lagern und Städten leben, nicht weiter versorgen wollen. Da muss mehr kommen, und das wird er nicht erst bei seinem Staatsbesuch in Berlin am 28. und 29. September fordern. So viel Zeit hat Erdogan nicht. Als Gegenleistung könnte er die Ausweitung des Deals anbieten, der bislang nur für die Ägäis gilt. Es ist nämlich bei weitem nicht so, dass der Landweg über den türkisch-griechischen Grenzfluss Evros geschlossen wäre. Am Ende könnte es so sein, dass Europa der Türkei helfen muss, zumal Iran und Russland mangels finanzieller Möglichkeiten ausfallen. Ob China und Katar einsteigen, ist fraglich, aber nicht ausgeschlossen. Was Donald Trump damit zu tun hat? Der US-Präsident hat den Lira-Absturz mit seiner Zollpolitik forciert und schadet damit gleich zwei Gegnern: Erdogan, der einen evangelikalen US-Pastor gefangen hält und sich in Syrien nicht an Abmachungen gehalten hat, und der von der Krise betroffenen EU. In Zeiten wie diesen bekommt man einen Eindruck davon, was eine relativ feste Gemeinschaftswährung wie der Euro trotz aller Schwächen wert ist. Sie ist nicht so leicht angreifbar, wie es jede einzelne Währung in Europa wäre.
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