Der Widerstand der bayerischen Landesregierung gegen Fahrverbote in München könnte drastische Konsequenzen für Spitzenpolitiker wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) haben. Bayerns Justiz will nun "Erzwingungshaft gegen Amtsträger" prüfen lassen, um endlich härtere Maßnahmen für bessere Luft in München durchzusetzen.
Man erwäge eine entsprechende Vorabentscheidung beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzuholen, heißt es in einem Schreiben, über das die "Süddeutsche Zeitung" (Montagsausgabe) berichtet. Betroffen könnten dem Schreiben zufolge führende Beamte der Landesregierung, Umweltminister Marcel Huber (CSU) oder Ministerpräsident Söder sein. Die bayerische Justiz macht damit klar, dass sie sich im Abgasstreit nicht länger von der Politik vorführen lassen will. Wie in Dutzenden anderen deutschen Großstädten wird der Grenzwert für das Reizgas Stickstoffdioxid in München seit Jahren überschritten.
Der Freistaat Bayern müsse deshalb seine Luftreinhaltepläne ändern und Dieselfahrverbote für München zumindest vorbereiten, hatten das Verwaltungsgericht München und der Verwaltungsgerichtshof bereits geurteilt. Die Frist dafür ist nun aber schon seit Jahresende 2017 verstrichen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte deshalb bereits Zwangsgelder in Höhe von 10.000 Euro angesetzt - ohne Erfolg. Die Landesregierung zahlte, steuerte aber nicht um.
Ein Schaden entsteht dem Land durch die Zwangsgelder nicht. Das Geld fließt zurück an den bayerischen Finanzminister. Es sei erkennbar geworden, dass das Land unter dem Druck von Zwangsgeldern nicht einlenke, schreibt der Verwaltungsgerichtshof nun. "Allein erfolgversprechend erscheint vor diesem Hintergrund die Festsetzung von Erzwingungshaft gegen Amtsträger".
Das harte Vorgehen der Justiz in Bayern könnte einen Präzedenzfall schaffen und für Politiker in anderen Bundesländern ebenfalls gefährlich werden. Denn auch die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen spricht sich gegen Fahrverbote aus. Zwar meldet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Zweifel an, ob das Vorgehen nach deutschem Recht so einfach möglich ist. Berufen könnte sich das Gericht nach eigener Einschätzung aber möglicherweise auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs.
Der hatte nationale Gerichte 2014 dazu verpflichtet "jede erforderliche Maßnahme" zu erlassen, damit Behörden Luftreinhaltepläne gemäß den vorgegebenen Bedingungen erstellen. Die Zweifel, ob die Maßnahme nach deutschem Recht durchsetzbar ist, ließen sich eventuell durch die Rechtsprechung des EuGH überwinden, heißt es in dem Papier weiter. Staatskanzleiminister Florian Herrmann sagte am Sonntag, man erwarte die Entscheidung des Gerichts "mit großer Gelassenheit": "Die Drohung mit Zwangshaft für Beamte und Politiker hat im deutschen Recht keine Rechtsgrundlage und ist daher unverständlich und absurd." Die Deutsche Umwelthilfe, die ein Vollstreckungsverfahren gegen das Land angestrengt hatte, fordert Konsequenzen auf höchster Ebene.
"Die Kanzlerin muss sich des Themas annehmen", sagt DUH-Anwalt und Experte für Umwelt- und Verwaltungsrecht, Remo Klinger. "Ein Gerichtsbeschluss, mit dem der EuGH damit beschäftigt wird, dass sich die höchsten politischen Mandatsträger eines deutschen Bundeslandes nicht an Gerichtsentscheidungen halten, ist ein Offenbarungseid für den deutschen Rechtsstaat."