Regensburg (ots) - Startgong für den Wahlkampfendspurt in Bayern - und es konnte dafür keinen perfekteren Ort als den Gillamoos geben. Das politische Kräftemessen aus der Kurzdistanz hat dort Tradition. Wer wissen will, wie Bayern politisch tickt, kann es dort an einem Vormittag mit allen Höhen und Tiefen erfahren. Die Parteien haben am Montag fast zeitgleich einen Vorgeschmack gegeben, was in den sechs Wochen bis zur Landtagswahl zu erwarten ist: Die CSU schließt aus Furcht vor herben Verlusten die Reihen und erinnert die zaudernde Wählerschaft an die eigenen Leistungen fürs Land. Die arg schwächelnde SPD schöpft ihren Mut aus der Tatsache, dass die bayerische Regierungspartei samt Frontmann Markus Söder angreifbar ist wie nie zuvor. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger versucht sich im Kunststück, die CSU gleichzeitig als immenses Mängelwesen und als Wunsch-Koalitionspartner zu präsentieren. Eine Inszenierung, die auch die FDP in ihr fixes Repertoire aufgenommen hat. Die Grünen genießen ihr Umfragehoch - wohl wissend, dass am Ende womöglich sie allein genügend Wählerprozente in die Waagschale werfen können, um mit der CSU in ernsthafte Regierungsverhandlungen zu treten. Über all dem bekannten Wahlkampfvolten liegt 2018 allerdings ein Schatten: Dem neuen bayerischen Landtag wird mit ziemlicher Sicherheit die AfD angehören - und zwar mit beachtlicher Fraktionsstärke. In Umfragen ist die Partei auf 14 Prozent geklettert. Das Spitzenpersonal versucht im Endspurt nach Kräften, Entgleisungen der Rechtsaußen in den eigenen Reihen kleinzureden, um in Bayern für möglichst viele Wähler aus dem bürgerlichen Lager irgendwie doch akzeptabel zu sein. Ein durchsichtiges Manöver, das aber erfolgreich sein könnte. Es herrschen merkwürdige und irritierende politische Zeiten. In anderen Wahljahren wäre es das alles beherrschende Thema gewesen, dass der CSU am 14. Oktober wohl der Verlust der absoluten Mehrheit droht und sie erneut in eine Koalitionsregierung gezwungen wird. Nun wiegt unendlich schwerer, dass der Wahltag zum Prüfstein für die Demokratie wird. Denn den etablierten Parteien gelingt es offenkundig weiter nicht, einen beachtlichen Teil der Wählerschaft zu erreichen. So sehr ihnen von diesem Personenkreis vermeintliche oder tatsächliche Fehler unnachgiebig angekreidet werden, so sehr darf die AfD dort mit Nachsicht rechnen. Selbst die Mitverantwortung der Partei an den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz führt bisher nicht zur politischen Ernüchterung. Die AfD muss immer noch nicht fürchten, bei der Landtagswahl die Kreuzerl zu verlieren, die aus Protest und als Denkzettel so leichtsinnig vergeben werden - als ob Demokratie ein Spiel wäre und man schnell eine neue auspacken kann, wenn die alte kaputt geschlagen ist. Ein böser Witz ist dabei, dass ausgerechnet die neuen "Nationalisten" das Ansehen Deutschlands so schwer beschädigen. Sicher teilt nicht das Großteil der AfD-Anhänger, was an demokratiefeindlichen Tönen aus ihrer Partei zu hören ist - doch er trägt schwere Mitschuld, weil er die Entgleisungen nicht unterbindet und die Wortführer vor die Tür setzt. Die radikalen Protagonisten der "Alternative für Deutschland" lassen schließlich keinen Zweifel, dass sie das Ruder an sich reißen wollen. Wie mächtig die AfD demnächst in Bayern auftreten kann, wird sich am Wahltag zeigen. Bewahrheiten sich - anders als bei der Bundestagswahl - die Prognosen der Demoskopen? Gelingt der CSU doch eine Aufholjagd, sobald das neue Pflegegeld, das Familiengeld und andere Wohltaten Wirkung entfalten? In der AfD blühen jedenfalls große Erwartungen, mit Umfragen von 14 Prozent noch unterbewertet zu sein. Es ist zu fürchten, dass es so kommt.
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