Bielefeld (ots) - Angela Merkel führt nicht und lässt so zu, dass sie vorgeführt wird. Macht die Kanzlerin weiter wie bisher, bekommt sie die Migrationsdebatte nie in den Griff. Ihre ohnehin defensive Art wirkt angesichts der Wucht des Themas besonders kontraproduktiv. Kein großer Auftritt, keine Regierungserklärung, allenfalls ein paar Reaktionen am Rande des Protokolls. Und ihr Sprecher Steffen Seibert, der sich womöglich voreilig äußerte. Die Frage, ob es in Chemnitz Hetzjagden gab oder nicht, ist nur Symptom einer sich immer deutlicher abzeichnenden Entwicklung. Erst der Disput mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), nun die nebulöse Einlassung des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen - und nicht zu vergessen natürlich die Dauerfehde mit der CSU und allen voran Innenminister Horst Seehofer persönlich. Nimmt man die sich anbahnende Kampfabstimmung um den CDU/CSU-Fraktionsvorsitz hinzu, ergibt sich ein verheerendes Bild. Während es an allen Ecken und Enden brodelt, vermittelt die Kanzlerin den Eindruck, die Dinge nähmen ihren gewohnten Lauf. Bodenhaftung adé - willkommen im Regierungsraumschiff Berlin! Gewiss: Angela Merkel neigt nicht zum Alarmismus, und Gelassenheit kann auch Ausdruck von Souveränität sein. Doch wirkt die Kanzlerin derzeit alles andere als souverän. Merkel ist beinahe pausenlos in der Welt unterwegs. Hat sie über die richtige Analyse, dass die drängendsten Probleme der Gegenwart nur auf internationaler Ebene zu lösen sind, die Realität daheim aus dem Blick verloren? Und sieht sie es überhaupt noch als eine ihrer zentralen Aufgaben an, Land und Leute zu erreichen? Selbstverständlich war die Kanzlerin nicht verpflichtet, in den vergangenen zwei Wochen nach Chemnitz zu reisen. Doch es wäre gut gewesen, sie hätte es getan. Möglich, dass ihr Auftritt dort eher zur Eskalation denn zur Deeskalation der Lage beigetragen hätte. Schon im Bundestagswahlkampf war Merkel im Osten gnadenlos niedergebrüllt und ausgepfiffen worden. Aber auch so bleibt ein bitterer Beigeschmack. Denn nun steht der Verdacht im Raum, die Kanzlerin könnte aus Selbstschutz weggeblieben sein. Und der für Oktober angekündigte Besuch wirkt wie das dazugehörige Feigenblatt. Doch wie wollen die Unionsparteien die AfD stellen, wenn ihre Spitzenfrau die Auseinandersetzung fürchtet? Wenn ausgerechnet die Politikerin aus dem Osten den Osten meiden muss. Und wenn CDU und CSU kaum mehr wissen, wie sie zueinander finden sollen. Für die anstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern, erst recht aber für die nächstes Jahr in Sachsen, Brandenburg und Thüringen lässt das Böses ahnen. Doch es geht um mehr als um eine Handvoll Wahlen: Auf dem Spiel steht die politische Kultur unseres Landes.
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