Der österreichische Bundeskanzler und amtierende EU-Ratsvorsitzende Sebastian Kurz hat private Seenotretter im Mittelmeer schwer beschuldigt. "Es kann doch nicht sein, dass ein paar Nichtregierungsorganisationen das klare Ziel der 28 Staats- und Regierungschefs in Europa konterkarieren", sagte Kurz der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
"Und das nicht nur mit dem Ziel, Leben zu retten, sondern gemeinsam mit den Schleppern Menschen nach Mitteleuropa zu bringen", so Kurz. Er hob insbesondere ein Schiff hervor, das von "Ärzte ohne Grenzen" und "SOS Mediterranee" betrieben wird: die "Aquarius 2". "Was nicht passieren darf, ist das, was Schiffe wie die 'Aquarius 2' ständig versuchen, nämlich in die libysche Seenotrettungszone beziehungsweise in ihre Nähe zu fahren, um der libyschen Küstenwache zuvorzukommen", so Kurz. Das sei eine absurde Situation.
Die "Aquarius 2" war in den vergangenen Monaten mehrmals in die Schlagzeilen geraten. Sie fuhr bis zum 20. August unter dem Namen "Aquarius" und wurde umbenannt, nachdem Gibraltar sie aus dem Schiffsregister gelöscht hatte. Das Schiff fuhr seither unter der Flagge Panamas, doch wollen ihm die Behörden dort ebenfalls die Zulassung entziehen. Gibraltar und Panama reagieren damit auf italienischen Druck.
Der italienische Innenminister Matteo Salvini hatte der "Aquarius" Mitte Juni die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt. Das Schiff hatte 629 Migranten vor Libyen an Bord genommen. Da auch Malta seine Häfen schloss, fuhr es zwei Tage lang orientierungslos herum, bevor Spanien sich zur Aufnahme bereit erklärte. Ein Teil der Migranten beantragte in Frankreich Asyl.
Einen Monat später nahm die "Aquarius 2" abermals Personen vor Libyen auf, 28 Seemeilen von der Küste entfernt. Diese internationalen Gewässer hat Libyen im Juni als Teil seiner Seenotrettungszone ausgewiesen, davor wurden sie von Italien aus betreut. Die libysche Küstenwache forderte die Besatzung auf, ihr die Migranten zu übergeben. Der Kapitän lehnte das mit der Begründung ab, dass Schiffbrüchige gemäß internationalem Seerecht zu einem "sicheren Hafen" gebracht werden müssen, was in Libyen nicht der Fall sei.
"Wenn nicht europäische Schiffe retten, sondern libysche oder ägyptische, stellen sich komplexe Rechtsfragen gar nicht erst", so der österreichische Bundeskanzler.