Bielefeld (ots) - Angela Merkel hat die Reißleine gezogen. Im allerletzten Moment. Sie hat einen Entschluss gefasst, der Größe beweist und Respekt verdient. Und der überraschend kam - selbst ihr engstes Umfeld war offenbar nicht eingeweiht.
Verzicht auf den CDU-Vorsitz schon in diesem Dezember, keine erneute Kandidatur als Kanzlerin und Bundestagsabgeordnete nach dieser Legislaturperiode, wann immer die auch enden wird. Müßig, ob die 64-Jährige diese Entscheidung tatsächlich voll und ganz aus freien Stücken und, wie sie behauptet, schon in der Sommerpause getroffen hat, oder ob nicht doch die vergangenen Wochen mit Maaßen-Affäre, Kauder-Sturz und den miserablen Wahlergebnissen in Bayern und Hessen den Ausschlag gegeben haben. Natürlich spricht sehr viel mehr für Letzteres.
Ihr Auftritt im Konrad-Adenauer-Haus hat aber in jedem Fall gezeigt, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hat. Ihre Analyse war schonungslos und sie war - endlich einmal - angemessen selbstkritisch: »Das Bild, das unsere Regierung liefert, ist inakzeptabel.« Und weiter: »Ich trage qua Amt Verantwortung dafür.« Ihr Motiv wurde ebenso klar: Angela Merkel will ihre politische Würde nicht vollends von ihren Konkurrenten und Gegnern zu Grabe getragen sehen. Vielleicht ist es genau das, was sie stets meinte, wenn sie von einem selbstbestimmten Abgang sprach.
Dafür ist sie nun sogar bereit, ihre eigene Überzeugung hintanzustellen. Stets hatte Angela Merkel betont, dass Kanzlerschaft und CDU-Vorsitz für sie in eine Hand gehören. Jetzt rückt sie davon ab. Ob ihr Plan allerdings aufgeht und sie tatsächlich bis 2021 Kanzlerin bleiben kann, ist offen. Für viele ist Angela Merkel schon jetzt eine »lame duck«. Und auch FDP-Chef Christian Lindner hat Recht, wenn er sagt: Merkels Teilrückzug macht die Große Koalition nicht stabiler.
Die bevorstehenden Turbulenzen in der CDU (und übrigens auch die rund um Horst Seehofer in der CSU) lassen den gemeinsamen Koalitionspartner SPD allenfalls kurz durchatmen. Zwar kommen SPD-Chefin Andrea Nahles und Co. für den Moment erst einmal aus dem Rampenlicht, aber die neue Unübersichtlichkeit in der Union erschwert es den ohnehin schwer angeschlagenen Sozialdemokraten zusätzlich, einen eigenen klaren Kurs zu fahren. Denn mit was für einer CDU/CSU die SPD demnächst koaliert, ist gegenwärtig vollkommen ungewiss. Spätestens damit läuft die These ins Leere, dass die Dinge in Berlin allein mit »guter Sacharbeit« wieder ins Lot zu bringen wären. Die Republik steht vor einer gravierenden politischen Umwälzung. Zur Veranschaulichung dafür genügt eine einzige Zahl: Mehr als 18 Jahre war Angela Merkel Parteivorsitzende der CDU. Dass erst Friedrich Merz, der einzige lebende Heilige aller konservativen Christdemokraten, und kurz danach auch Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn ihren Hut für den Vorsitz in den Ring geworfen haben, zeigt, dass der Richtungskampf über die künftige Ausrichtung der CDU voll entbrannt ist.
Für Kramp-Karrenbauer und Spahn kommt Merkels Rückzug eigentlich zu früh. Beide hätten sich persönlich sicher noch etwas mehr Zeit für den nun anstehenden Generationswechsel gewünscht. Einmal mehr zeigt sich, dass politische Karrieren nur sehr begrenzt planbar sind.
Viel spricht dafür, dass die Merz-Offerte einer konzertierten Aktion entsprungen ist. Und gut möglich bleibt, dass sich das konservative Lager mit Blick auf den Hamburger Parteitag Anfang Dezember noch auf nur einen Kandidaten einigt. Bleibt diese Einigung aus, dürften sich Merz, der Mann der Vergangenheit, und Spahn, der selbsternannte Mann der Zukunft, gegenseitig ihrer Chancen berauben. Und wer weiß, ob sich nicht noch weitere Kandidaten finden. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zögert noch - aus dem Rennen ist er aber längst nicht.
In jedem Fall wird eine oder einer der Kandidaten schon bald gefordert sein, zu beweisen, dass er oder sie es besser kann. Angela Merkel selbst hat ihrer Partei die Tür für die Nach-Merkel-Ära geöffnet. Was die CDU daraus macht, liegt nur noch sehr begrenzt in ihrer Hand. Die Kanzlerin weiß das. Vielleicht auch deshalb wirkte sie in der Pressekonferenz fast ein wenig gelöst. Deutschland hingegen muss sich auf weiter unruhige Zeiten einstellen. Der 29. Oktober 2018 ist ein historischer Tag für unser Land. Wir erleben eine Zeitenwende.
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Scholz Stephan Telefon: 0521 585-261 st_scholz@westfalen-blatt.de
Verzicht auf den CDU-Vorsitz schon in diesem Dezember, keine erneute Kandidatur als Kanzlerin und Bundestagsabgeordnete nach dieser Legislaturperiode, wann immer die auch enden wird. Müßig, ob die 64-Jährige diese Entscheidung tatsächlich voll und ganz aus freien Stücken und, wie sie behauptet, schon in der Sommerpause getroffen hat, oder ob nicht doch die vergangenen Wochen mit Maaßen-Affäre, Kauder-Sturz und den miserablen Wahlergebnissen in Bayern und Hessen den Ausschlag gegeben haben. Natürlich spricht sehr viel mehr für Letzteres.
Ihr Auftritt im Konrad-Adenauer-Haus hat aber in jedem Fall gezeigt, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hat. Ihre Analyse war schonungslos und sie war - endlich einmal - angemessen selbstkritisch: »Das Bild, das unsere Regierung liefert, ist inakzeptabel.« Und weiter: »Ich trage qua Amt Verantwortung dafür.« Ihr Motiv wurde ebenso klar: Angela Merkel will ihre politische Würde nicht vollends von ihren Konkurrenten und Gegnern zu Grabe getragen sehen. Vielleicht ist es genau das, was sie stets meinte, wenn sie von einem selbstbestimmten Abgang sprach.
Dafür ist sie nun sogar bereit, ihre eigene Überzeugung hintanzustellen. Stets hatte Angela Merkel betont, dass Kanzlerschaft und CDU-Vorsitz für sie in eine Hand gehören. Jetzt rückt sie davon ab. Ob ihr Plan allerdings aufgeht und sie tatsächlich bis 2021 Kanzlerin bleiben kann, ist offen. Für viele ist Angela Merkel schon jetzt eine »lame duck«. Und auch FDP-Chef Christian Lindner hat Recht, wenn er sagt: Merkels Teilrückzug macht die Große Koalition nicht stabiler.
Die bevorstehenden Turbulenzen in der CDU (und übrigens auch die rund um Horst Seehofer in der CSU) lassen den gemeinsamen Koalitionspartner SPD allenfalls kurz durchatmen. Zwar kommen SPD-Chefin Andrea Nahles und Co. für den Moment erst einmal aus dem Rampenlicht, aber die neue Unübersichtlichkeit in der Union erschwert es den ohnehin schwer angeschlagenen Sozialdemokraten zusätzlich, einen eigenen klaren Kurs zu fahren. Denn mit was für einer CDU/CSU die SPD demnächst koaliert, ist gegenwärtig vollkommen ungewiss. Spätestens damit läuft die These ins Leere, dass die Dinge in Berlin allein mit »guter Sacharbeit« wieder ins Lot zu bringen wären. Die Republik steht vor einer gravierenden politischen Umwälzung. Zur Veranschaulichung dafür genügt eine einzige Zahl: Mehr als 18 Jahre war Angela Merkel Parteivorsitzende der CDU. Dass erst Friedrich Merz, der einzige lebende Heilige aller konservativen Christdemokraten, und kurz danach auch Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn ihren Hut für den Vorsitz in den Ring geworfen haben, zeigt, dass der Richtungskampf über die künftige Ausrichtung der CDU voll entbrannt ist.
Für Kramp-Karrenbauer und Spahn kommt Merkels Rückzug eigentlich zu früh. Beide hätten sich persönlich sicher noch etwas mehr Zeit für den nun anstehenden Generationswechsel gewünscht. Einmal mehr zeigt sich, dass politische Karrieren nur sehr begrenzt planbar sind.
Viel spricht dafür, dass die Merz-Offerte einer konzertierten Aktion entsprungen ist. Und gut möglich bleibt, dass sich das konservative Lager mit Blick auf den Hamburger Parteitag Anfang Dezember noch auf nur einen Kandidaten einigt. Bleibt diese Einigung aus, dürften sich Merz, der Mann der Vergangenheit, und Spahn, der selbsternannte Mann der Zukunft, gegenseitig ihrer Chancen berauben. Und wer weiß, ob sich nicht noch weitere Kandidaten finden. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zögert noch - aus dem Rennen ist er aber längst nicht.
In jedem Fall wird eine oder einer der Kandidaten schon bald gefordert sein, zu beweisen, dass er oder sie es besser kann. Angela Merkel selbst hat ihrer Partei die Tür für die Nach-Merkel-Ära geöffnet. Was die CDU daraus macht, liegt nur noch sehr begrenzt in ihrer Hand. Die Kanzlerin weiß das. Vielleicht auch deshalb wirkte sie in der Pressekonferenz fast ein wenig gelöst. Deutschland hingegen muss sich auf weiter unruhige Zeiten einstellen. Der 29. Oktober 2018 ist ein historischer Tag für unser Land. Wir erleben eine Zeitenwende.
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