Aachen (ots) - Europaskeptiker, Anti-Europäer, Nationalisten im Europäischen Parlament. Das klingt paradox. Denn warum sollten ausgerechnet diejenigen, die die EU am liebsten abschaffen wollen, in das Herz der Gemeinschaft, nämlich das Straßburger Parlament, gelangen wollen? Die Antwort darauf ist so einfach wie niederträchtig: Sie wollen die EU von innen heraus zerstören. Längst sind sie in den Fraktionen "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" (EFDD) und "Europäische Konservative und Reformer" (EKR) etabliert, versammeln unter anderem Vertreter der deutschen AfD, der britischen UK Independence Party (UKIP), der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung oder des französischen Rassemblement National unter ihren Dächern.
Schon bei der Europawahl 2014 haben die Rechtspopulisten so massiven Zuwachs erhalten wie außer ihnen nur die linksextremen Parteien. Die etablierten Parteien, Christ- und Sozialdemokraten, Liberale und Grüne, haben verloren. Dass dieser Trend sich bei der nächsten Europawahl noch mal verschärft, steht zu befürchten.
Deshalb wird die Abstimmung in 200 Tagen, am 26. Mai, eine Schicksalswahl für die EU: Wird die Gemeinschaft weiter geschwächt oder gibt es eine Gegenbewegung?
"Europa lässt sich nicht mit einem Schlag herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung", hat der damalige französische Außenminister und Europa-Vordenker Robert Schuman in seiner berühmten Erklärung vom 9. Mai 1950 gesagt. "Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen."
Von dieser Solidarität der Tat ist derzeit nicht viel zu sehen. Der Umgang mit Flüchtlingen ist ein Paradebeispiel für die Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, eine solidarische Antwort auf drängende gesellschaftliche Fragen zu finden. Wertegemeinschaft? Weit gefehlt. Der größte gemeinsame Nenner scheint die Einigkeit darüber zu sein, dass man sich nicht einig ist.
Die rechtspopulistische Regierung Italiens fordert die EU mit einem Haushaltsentwurf heraus, der sämtliche Regeln der Gemeinschaft über Bord wirft und Sorgen vor der nächsten Euro-Schuldenkrise schürt. Die rechtskonservative Regierung in Polen provoziert mit ihrer höchst umstrittenen Justizreform ein Vertragsverletzungsverfahren. Der ungarische Nationalist Viktor Orbán muss sich einem Strafverfahren des EU-Parlaments wegen Rechtsstaatsverstößen stellen. Die britische Regierung will die Gemeinschaft gleich ganz verlassen - aber zu ihren Bedingungen.
Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Menschen mit seinem entschiedenen und emotionalen Bekenntnis zu Europa aufhorchen lassen. Er hat gezeigt: Man kann eine Wahl mit einer dezidiert pro-europäischen Agenda gewinnen. Macron könnte eine Schlüsselfigur sein, wenn die EU wieder mehr zu einem Europa in Schumans Sinn werden soll. Seine Reform-Agenda enthält viele Vorschläge, die die EU voranbringen können. Dafür braucht er Unterstützung vor allem aus Deutschland. Denn das derzeit etwas indisponierte Bild der Gemeinschaft hängt auch mit dem aktuell unrunden Zusammenspiel zwischen Paris und Berlin zusammen.
Die kommenden Monate werden zeigen, welche Richtung die Gemeinschaft einschlägt und ob sie dazu in der Lage ist, sich zukunftsgerichtet aufzustellen. Ob sie Lösungen finden, Zusammenhalt erzeugen, Begeisterung wecken und die Angriffe auf ihre Prinzipien - Solidarität, Freiheit, Rechtstaatlichkeit - abwehren kann. Die Europawahl 2019 ist dafür eine wichtige Wegmarke.
Entscheidend wird dabei auch die Wahlbeteiligung sein. 2014 lag sie in Deutschland bei gerade mal 47,9 Prozent, EU-weit sogar nur bei 42,54 Prozent. Klar ist: Eine geringe Beteiligung wirkt für die EU-Gegner wie ein Katalysator, eine hohe Beteiligung stärkt hingegen integrative Kräfte.
Welches Europa wollen wir? Diese Frage richtet sich also zu allererst nicht an die Politik, sondern an jeden einzelnen von uns.
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Pressekontakt: Aachener Nachrichten Redaktion Aachener Nachrichten Telefon: 0241 5101-391 an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de
Schon bei der Europawahl 2014 haben die Rechtspopulisten so massiven Zuwachs erhalten wie außer ihnen nur die linksextremen Parteien. Die etablierten Parteien, Christ- und Sozialdemokraten, Liberale und Grüne, haben verloren. Dass dieser Trend sich bei der nächsten Europawahl noch mal verschärft, steht zu befürchten.
Deshalb wird die Abstimmung in 200 Tagen, am 26. Mai, eine Schicksalswahl für die EU: Wird die Gemeinschaft weiter geschwächt oder gibt es eine Gegenbewegung?
"Europa lässt sich nicht mit einem Schlag herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung", hat der damalige französische Außenminister und Europa-Vordenker Robert Schuman in seiner berühmten Erklärung vom 9. Mai 1950 gesagt. "Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen."
Von dieser Solidarität der Tat ist derzeit nicht viel zu sehen. Der Umgang mit Flüchtlingen ist ein Paradebeispiel für die Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, eine solidarische Antwort auf drängende gesellschaftliche Fragen zu finden. Wertegemeinschaft? Weit gefehlt. Der größte gemeinsame Nenner scheint die Einigkeit darüber zu sein, dass man sich nicht einig ist.
Die rechtspopulistische Regierung Italiens fordert die EU mit einem Haushaltsentwurf heraus, der sämtliche Regeln der Gemeinschaft über Bord wirft und Sorgen vor der nächsten Euro-Schuldenkrise schürt. Die rechtskonservative Regierung in Polen provoziert mit ihrer höchst umstrittenen Justizreform ein Vertragsverletzungsverfahren. Der ungarische Nationalist Viktor Orbán muss sich einem Strafverfahren des EU-Parlaments wegen Rechtsstaatsverstößen stellen. Die britische Regierung will die Gemeinschaft gleich ganz verlassen - aber zu ihren Bedingungen.
Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Menschen mit seinem entschiedenen und emotionalen Bekenntnis zu Europa aufhorchen lassen. Er hat gezeigt: Man kann eine Wahl mit einer dezidiert pro-europäischen Agenda gewinnen. Macron könnte eine Schlüsselfigur sein, wenn die EU wieder mehr zu einem Europa in Schumans Sinn werden soll. Seine Reform-Agenda enthält viele Vorschläge, die die EU voranbringen können. Dafür braucht er Unterstützung vor allem aus Deutschland. Denn das derzeit etwas indisponierte Bild der Gemeinschaft hängt auch mit dem aktuell unrunden Zusammenspiel zwischen Paris und Berlin zusammen.
Die kommenden Monate werden zeigen, welche Richtung die Gemeinschaft einschlägt und ob sie dazu in der Lage ist, sich zukunftsgerichtet aufzustellen. Ob sie Lösungen finden, Zusammenhalt erzeugen, Begeisterung wecken und die Angriffe auf ihre Prinzipien - Solidarität, Freiheit, Rechtstaatlichkeit - abwehren kann. Die Europawahl 2019 ist dafür eine wichtige Wegmarke.
Entscheidend wird dabei auch die Wahlbeteiligung sein. 2014 lag sie in Deutschland bei gerade mal 47,9 Prozent, EU-weit sogar nur bei 42,54 Prozent. Klar ist: Eine geringe Beteiligung wirkt für die EU-Gegner wie ein Katalysator, eine hohe Beteiligung stärkt hingegen integrative Kräfte.
Welches Europa wollen wir? Diese Frage richtet sich also zu allererst nicht an die Politik, sondern an jeden einzelnen von uns.
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