Düsseldorf (ots) - von Matthias Beermann
Mehrere Dutzend Staats- und Regierungschefs haben in einer feierlichen Zeremonie vor dem Pariser Triumphbogen an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert. Eines Konflikts, angezettelt von Monarchen in skurrilen Operettenuniformen, der zumal jungen Menschen heute unendlich fern scheinen muss. Haben wir im 21. Jahrhundert, der Ära von Globalisierung und Digitalisierung, denn nichts Besseres zu tun, als in den Rückspiegel zu schauen? Nein. Denn was wir dort sehen, spiegelt die beunruhigenden Entwicklungen der Gegenwart. Europa benötigte nach dem Inferno der Schützengräben von Verdun einen weiteren, noch mörderischeren Krieg, um endlich seine Lektion zu lernen. Die Antwort war die Europäische Union, deren wichtigstes Versprechen lautete: Nie wieder Krieg! Die Idee hinter dieser Union des Friedens war es, das Schicksal der Staaten so untrennbar miteinander zu verweben, dass kriegerische Alleingänge für alle Zeiten unmöglich würden. Das hat so gut funktioniert, dass dieser historisch beispiellose Erfolg irgendwie zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Manchmal scheint es fast, als hätten wir uns so an den Frieden gewöhnt, dass wir ihn nicht mehr zu schätzen wissen. Die Architekten der europäischen Friedensordnung besaßen den Mut zu Demut und Versöhnung. Und sie wussten um die Kraft großer Gesten. Willy Brandt mit seinem Kniefall am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos oder Helmut Kohl bei seinem Handschlag mit Frankreichs Präsident François Mitterrand auf einem deutschen Soldatenfriedhof bei Verdun haben das kollektive Bewusstsein geprägt. Doch nun propagieren nationale Populisten von Deutschland über Italien und Polen bis Frankreich plötzlich wieder Abgrenzung und Alleingänge. Unter EU-Partnern wird mit hässlichen Argumenten gestritten, und es werden alte Rechnungen präsentiert, die zeigen, wie erschreckend dünn der Firnis der Aussöhnung zwischen den Völkern an mancher Stelle ist. Das gilt selbst für Deutsche und Franzosen. Wir haben uns an die Versöhnungsgesten zwischen Berlin und Paris gewöhnt, die die deutsch-französische Freundschaft weltweit zu einem Vorbild gemacht haben. Doch über diese beruhigenden Rituale vergessen wir manchmal, dass sich auch neue Generationen diese Freundschaft immer wieder neu erkämpfen müssen. Die Gleichgültigkeit ist heute die größte Gefahr für den Frieden. Und das Vergessen. Deswegen ist das Gedenken von Paris so wichtig für unsere Zukunft: Es erinnert uns daran, dass selbst 100 Jahre in der Geschichte nicht mehr sind als ein Wimpernschlag.
OTS: Rheinische Post newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30621 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30621.rss2
Pressekontakt: Rheinische Post Redaktion Telefon: (0211) 505-2621
Mehrere Dutzend Staats- und Regierungschefs haben in einer feierlichen Zeremonie vor dem Pariser Triumphbogen an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert. Eines Konflikts, angezettelt von Monarchen in skurrilen Operettenuniformen, der zumal jungen Menschen heute unendlich fern scheinen muss. Haben wir im 21. Jahrhundert, der Ära von Globalisierung und Digitalisierung, denn nichts Besseres zu tun, als in den Rückspiegel zu schauen? Nein. Denn was wir dort sehen, spiegelt die beunruhigenden Entwicklungen der Gegenwart. Europa benötigte nach dem Inferno der Schützengräben von Verdun einen weiteren, noch mörderischeren Krieg, um endlich seine Lektion zu lernen. Die Antwort war die Europäische Union, deren wichtigstes Versprechen lautete: Nie wieder Krieg! Die Idee hinter dieser Union des Friedens war es, das Schicksal der Staaten so untrennbar miteinander zu verweben, dass kriegerische Alleingänge für alle Zeiten unmöglich würden. Das hat so gut funktioniert, dass dieser historisch beispiellose Erfolg irgendwie zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Manchmal scheint es fast, als hätten wir uns so an den Frieden gewöhnt, dass wir ihn nicht mehr zu schätzen wissen. Die Architekten der europäischen Friedensordnung besaßen den Mut zu Demut und Versöhnung. Und sie wussten um die Kraft großer Gesten. Willy Brandt mit seinem Kniefall am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos oder Helmut Kohl bei seinem Handschlag mit Frankreichs Präsident François Mitterrand auf einem deutschen Soldatenfriedhof bei Verdun haben das kollektive Bewusstsein geprägt. Doch nun propagieren nationale Populisten von Deutschland über Italien und Polen bis Frankreich plötzlich wieder Abgrenzung und Alleingänge. Unter EU-Partnern wird mit hässlichen Argumenten gestritten, und es werden alte Rechnungen präsentiert, die zeigen, wie erschreckend dünn der Firnis der Aussöhnung zwischen den Völkern an mancher Stelle ist. Das gilt selbst für Deutsche und Franzosen. Wir haben uns an die Versöhnungsgesten zwischen Berlin und Paris gewöhnt, die die deutsch-französische Freundschaft weltweit zu einem Vorbild gemacht haben. Doch über diese beruhigenden Rituale vergessen wir manchmal, dass sich auch neue Generationen diese Freundschaft immer wieder neu erkämpfen müssen. Die Gleichgültigkeit ist heute die größte Gefahr für den Frieden. Und das Vergessen. Deswegen ist das Gedenken von Paris so wichtig für unsere Zukunft: Es erinnert uns daran, dass selbst 100 Jahre in der Geschichte nicht mehr sind als ein Wimpernschlag.
OTS: Rheinische Post newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30621 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30621.rss2
Pressekontakt: Rheinische Post Redaktion Telefon: (0211) 505-2621
© 2018 news aktuell