Berlin (ots) - Kurzform: Sich auf Digitalisierung auch von Staatsseite einzulassen, heißt nicht, die Ansprüche herunterzuschrauben: Online-Dienstleistungen von Behörden müssen gleichzeitig sicher und einfach zu bedienen sein. Künstliche Intelligenz als Wirtschaftsfaktor, wie sie die Bundesregierung jetzt fördern will, muss nach nachvollziehbaren Kriterien arbeiten. Programmierte Inhalte dürfen nicht ihren Schöpfern allein überlassen werden. Das alles ist kompliziert und oft widersprüchlich. Umso nötiger ist es, dass Bürger diese Entwicklungen kritisch begleiten, anstatt bei der ersten Gelegenheit eine Absage zu erteilen. Es ist nicht Aufgabe von Bürgern, die Verwaltung zu digitalisieren oder Bedingungen zu schaffen, unter denen Spitzenforscher lieber hier entwickeln wollen als in Palo Alto. Aber es ist ihre Aufgabe, all das einzufordern - und es anzunehmen, wenn es angeboten wird.
Der vollständige Leitartikel: "Das Internet ist für uns alle Neuland", sagte Angela Merkel 2013 und löste damit in großen Teilen ebendieses Internets gleichermaßen Erheiterung und Verzweiflung aus. Ich gebe zu, ich habe auch gelacht: Die Kanzlerin, unumkehrbar analog, keine Ahnung von der digitalen Welt. Nun, die Kanzlerin hat aufgeholt, und mit ihr die gesamte Regierung: Es dürfte kaum jemand mehr am Kabinettstisch sitzen, der nicht verstanden hat, dass Deutschlands Innovationskraft, seine Zukunftsfähigkeit und damit das gute Leben, das so viele hier genießen, entscheidend davon abhängen, wie schnell sich das Land an die veränderten Anforderungen anpassen kann. Zwischen Erkennen und Umsetzen liegt allerdings viel Arbeit, und der Vorsprung der anderen ist groß. Das liegt auch daran, dass es lange gedauert hat, bis in Berlin verstanden wurde, dass das, was im Silicon Valley entschieden wird, hier auch Konsequenzen hat. Aber bei allem verständlichen Frust über langen Stillstand und Deutschlands digitale Trägheit: Nur danach zu rufen, dass die Politik es jetzt bitte richten möge, reicht nicht. Denn auch in Nationen wie den USA, Estland oder Israel, die deutlich mehr online sind, sind es nicht die oft in die Jahre gekommenen Volksvertreter, die Innovation vorantreiben. (Eindrucksvoll zu besichtigen war dieser Fakt zuletzt bei der Anhörung vor dem US-Senat zu einem Datenskandal bei Facebook, als ein fassungsloser Mark Zuckerberg einem Senator erklärte, dass die Plattform für Nutzer kostenlos ist, weil sie durch Werbung finanziert wird.) Treiber von neuen Entwicklungen sind stattdessen Menschen, die Ideen haben und umsetzen, ein Publikum, das Neues schnell aufnimmt und ausprobiert und das ebenso schnell bessere Lösungen einfordert, wenn etwas nicht klappt - anstatt wieder zu Stift und Papier zurückzukehren. Gerade dieser Impuls ist aber in Deutschland weitverbreitet. Der Anteil der Bürger, die digitale Verwaltungsangebote nutzen, ist von 2016 bis 2018 gesunken, statt zu steigen. Die Idee, dem Staat digital eine große Menge von Daten zugänglich zu machen, stößt zum Beispiel aus historischen und sehr gut nachvollziehbaren Gründen bei vielen Bürgern auf großes Misstrauen. Aber zu häufig endet die Debatte an dieser Stelle: Hier gibt es Risiken, also lassen wir es lieber. Dabei ist die Frage längst nicht mehr, ob sich auch der bürokratische Teil unseres Lebens ins Netz verlagert, sondern wie schnell und zu welchen Bedingungen. Und niemand, der schon einmal mehr als eine halbe Stunde auf unbequemen Hartschalen-Stühlen in einem schlecht gelüfteten Bürgeramt verbracht hat, weil wieder einmal fast kein Mitarbeiter vor Ort ist, kann darin ernsthaft eine negative Entwicklung sehen. Sich auf Digitalisierung auch von Staatsseite einzulassen, heißt nicht, die Ansprüche herunterzuschrauben: Online-Dienstleistungen von Behörden müssen gleichzeitig sicher und einfach zu bedienen sein. Künstliche Intelligenz als Wirtschaftsfaktor, wie sie die Bundesregierung jetzt fördern will, muss nach nachvollziehbaren Kriterien arbeiten. Programmierte Inhalte dürfen nicht ihren Schöpfern allein überlassen werden. Das alles ist kompliziert und oft widersprüchlich. Umso nötiger ist es, dass Bürger diese Entwicklungen kritisch begleiten, anstatt bei der ersten Gelegenheit eine Absage zu erteilen. Es ist nicht Aufgabe von Bürgern, die Verwaltung zu digitalisieren oder Bedingungen zu schaffen, unter denen Spitzenforscher lieber hier entwickeln wollen als in Palo Alto. Aber es ist ihre Aufgabe, all das einzufordern - und es anzunehmen, wenn es angeboten wird.
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Der vollständige Leitartikel: "Das Internet ist für uns alle Neuland", sagte Angela Merkel 2013 und löste damit in großen Teilen ebendieses Internets gleichermaßen Erheiterung und Verzweiflung aus. Ich gebe zu, ich habe auch gelacht: Die Kanzlerin, unumkehrbar analog, keine Ahnung von der digitalen Welt. Nun, die Kanzlerin hat aufgeholt, und mit ihr die gesamte Regierung: Es dürfte kaum jemand mehr am Kabinettstisch sitzen, der nicht verstanden hat, dass Deutschlands Innovationskraft, seine Zukunftsfähigkeit und damit das gute Leben, das so viele hier genießen, entscheidend davon abhängen, wie schnell sich das Land an die veränderten Anforderungen anpassen kann. Zwischen Erkennen und Umsetzen liegt allerdings viel Arbeit, und der Vorsprung der anderen ist groß. Das liegt auch daran, dass es lange gedauert hat, bis in Berlin verstanden wurde, dass das, was im Silicon Valley entschieden wird, hier auch Konsequenzen hat. Aber bei allem verständlichen Frust über langen Stillstand und Deutschlands digitale Trägheit: Nur danach zu rufen, dass die Politik es jetzt bitte richten möge, reicht nicht. Denn auch in Nationen wie den USA, Estland oder Israel, die deutlich mehr online sind, sind es nicht die oft in die Jahre gekommenen Volksvertreter, die Innovation vorantreiben. (Eindrucksvoll zu besichtigen war dieser Fakt zuletzt bei der Anhörung vor dem US-Senat zu einem Datenskandal bei Facebook, als ein fassungsloser Mark Zuckerberg einem Senator erklärte, dass die Plattform für Nutzer kostenlos ist, weil sie durch Werbung finanziert wird.) Treiber von neuen Entwicklungen sind stattdessen Menschen, die Ideen haben und umsetzen, ein Publikum, das Neues schnell aufnimmt und ausprobiert und das ebenso schnell bessere Lösungen einfordert, wenn etwas nicht klappt - anstatt wieder zu Stift und Papier zurückzukehren. Gerade dieser Impuls ist aber in Deutschland weitverbreitet. Der Anteil der Bürger, die digitale Verwaltungsangebote nutzen, ist von 2016 bis 2018 gesunken, statt zu steigen. Die Idee, dem Staat digital eine große Menge von Daten zugänglich zu machen, stößt zum Beispiel aus historischen und sehr gut nachvollziehbaren Gründen bei vielen Bürgern auf großes Misstrauen. Aber zu häufig endet die Debatte an dieser Stelle: Hier gibt es Risiken, also lassen wir es lieber. Dabei ist die Frage längst nicht mehr, ob sich auch der bürokratische Teil unseres Lebens ins Netz verlagert, sondern wie schnell und zu welchen Bedingungen. Und niemand, der schon einmal mehr als eine halbe Stunde auf unbequemen Hartschalen-Stühlen in einem schlecht gelüfteten Bürgeramt verbracht hat, weil wieder einmal fast kein Mitarbeiter vor Ort ist, kann darin ernsthaft eine negative Entwicklung sehen. Sich auf Digitalisierung auch von Staatsseite einzulassen, heißt nicht, die Ansprüche herunterzuschrauben: Online-Dienstleistungen von Behörden müssen gleichzeitig sicher und einfach zu bedienen sein. Künstliche Intelligenz als Wirtschaftsfaktor, wie sie die Bundesregierung jetzt fördern will, muss nach nachvollziehbaren Kriterien arbeiten. Programmierte Inhalte dürfen nicht ihren Schöpfern allein überlassen werden. Das alles ist kompliziert und oft widersprüchlich. Umso nötiger ist es, dass Bürger diese Entwicklungen kritisch begleiten, anstatt bei der ersten Gelegenheit eine Absage zu erteilen. Es ist nicht Aufgabe von Bürgern, die Verwaltung zu digitalisieren oder Bedingungen zu schaffen, unter denen Spitzenforscher lieber hier entwickeln wollen als in Palo Alto. Aber es ist ihre Aufgabe, all das einzufordern - und es anzunehmen, wenn es angeboten wird.
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