Hagen (ots) - Dass der Streit um die Wisente heute den Bundesgerichtshof und damit das höchste deutsche Gericht beschäftigt, ist bezeichnend. Es zeigt, wie tief der Riss ist, der durch unsere Region führt. Wittgenstein und Sauerland stehen sich gegenüber. Das liegt auch daran, dass Prognosen, die dieses viel beachtete Auswilderungsprojekt möglich gemacht haben, nicht eingetroffen sind oder Zusagen gebrochen wurden: Lange Zeit wurde ausgeschlossen, dass es zu Tier-Mensch-Begegnungen kommen könnte. Heute wissen wir: Es gibt diese Begegnungen. Deshalb ist die Auseinandersetzung vor Ort emotional. Und darüber hinaus fundamental. Auf der Sachebene geht es darum, ob die Hinterlassenschaften der Kolosse als Dung oder als Losung zu bezeichnen sind. Dahinter steckt die Frage, ob es sich bei der Herde am Rothaarkamm um mangelhaft beaufsichtigte Rindviecher oder um seltene und somit schützenswerte Wildtiere handelt. Die Juristen unterscheiden folgerichtig zwischen den Rechten der privaten Waldbesitzer und den Interessen des Artenschutzes. Im Kern aber geht es um die Frage, ob unsere Kulturlandschaft derlei archaische Kreaturen, die seit mehr als 100 Jahren allenfalls in Zoos anzutreffen waren, noch verträgt. Oder besser: ob wir diese in unseren Nutzwäldern mit ihren vielfältigen Funktionen zulassen wollen. Berechtigte wirtschaftliche Interessen prallen auf eine romantische Vorstellung von Ursprünglichkeit. Am Ende hilft es vielleicht, die Perspektive zu wechseln. Was werden unsere Kindeskinder wohl über den heutigen Tag sagen? Werden Sie sagen: "Damals wurde die Schnapsidee einer Bison-Herde in Tannenschonungen beerdigt." Oder: "Damals wurde ein kleines Stück Ursprünglichkeit in unsere heutige auf Effizienz getrimmte Hoch-Zivilisation gerettet."
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