Pannen und Konflikte sorgen für einen
holprigen Start des G20-Gipfels in Buenos Aires. Kanzlerin Angela
Merkel musste wegen eines technischen Defekts am Regierungs-Airbus
Merkel war gemeinsam mit Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) auf dem Weg nach Argentinien, als die Maschine vom Typ A340-300 über den Niederlanden umkehren musste. Der Grund war nach Angaben des Flugkapitäns ein technisches Problem. Es habe zur Folge, dass einige elektrische Systeme am Flugzeug ausgefallen seien. Es haperte auch daran, schnell eine Ersatzmaschine bereitzustellen. Mit der Panne beginnt das zehnjährige Jubiläum dieser Gipfel am Freitag erstmal ohne die Kanzlerin - praktisch als "G20 minus 1". Auch zu dem bisher für den Nachmittag (Ortszeit) geplanten Treffen mit US-Präsident Donald Trump dürfte sie es nicht schaffen.
Die "Gruppe der 20" aus 19 Ländern und der Europäischen Union repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung und 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Seit der globalen Finanzkrise 2008 tagen sie auch auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs. In Buenos Aires gab es aber schon vor dem Start heftige Verstimmung.
So sagte US-Präsident Trump wegen der Eskalation zwischen der Ukraine und Russland ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurzerhand ab. Er begründete den Schritt damit, dass die von Russland festgenommenen ukrainischen Seeleute bisher nicht freigelassen und ihre Schiffe nicht zurückgegeben worden seien. Der Sprecher des US-Außenministeriums nannte Trumps Absage "ziemlich klar": "Die Aggression, die wir diese Woche erlebt haben, ist nicht akzeptabel, und eine starke Botschaft wurde übermittelt." Auf die Frage, was die Botschaft sei, antwortete der Sprecher: "Isolation."
Trotzdem will die Kanzlerin am Samstag mit Putin über den Konflikt sprechen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko setzt auf ihre Hilfe. Eine Lösung des Konflikts werde es nur im Gespräch geben, sagte Merkel in Berlin. "Es gibt keine militärische Lösung." Die Ukraine mahnte sie, "klug zu sein". Am Sonntag hatte die russische Küstenwache Patrouillenbooten der ukrainischen Marine die Durchfahrt in der Meerenge von Kertsch verweigert. Die Gewässer sind seit der Annektierung der Krim durch Russland zwischen beiden Staaten umstritten. Die ukrainischen Schiffe wurden in russische Gewalt genommen. Es fielen Schüsse. 24 Matrosen wurden festgesetzt.
Auch die Khashoggi-Affäre lastet auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Spannend wird ihr Umgang mit dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman, der am Mittwoch als erster eingetroffen war. Wegen der Tötung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul steht der Kronprinz weltweit in der Kritik. Ihm wird vorgeworfen, den Mord in Auftrag gegeben oder zumindest davon gewusst zu haben. Während ihm Kanzlerin Merkel aus dem Weg gehen wird, will sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit dem Kronprinz treffen. Trump sagte, er habe nicht genug Zeit für ein Treffen mit Salman.
Zehntausende Demonstranten wollen zum Auftakt des zweitägigen Gipfels am Freitag gegen die Wirtschaftskrise in Argentinien und die Staatsführer protestieren, die aus ihrer Sicht nicht genug gegen soziale Ungerechtigkeit in der Welt tun. Ein massives Aufgebot von 25 000 Sicherheitskräften schützt die Staats- und Regierungschefs. Rund 3000 Journalisten aus aller Welt sind angereist. Das Pressezentrum erlebte am Donnerstag auch einige Pannen, weil das Internet mehrmals ausfiel - einmal für rund eine Stunde.
Bei diesem Gipfel ist es wegen der Differenzen in Handels- oder Klimafragen besonders schwierig, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu finden, hieß es aus deutschen Regierungskreisen. Die Unterhändler haben schon zwei Nächte durchverhandelt. Es wäre beispiellos in der Geschichte der G20, wenn es keine Einigung auf ein Kommuniqué gäbe. Merkel wird von Ehemann Joachim Sauer begleitet.
Die größte Gefahr für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte ist der Handelskrieg, den Trump mit China angezettelt hat. Vor seinem "Showdown" mit Staats- und Parteichef Xi Jinping am Samstagabend in Buenos Aires erhöhte Trump den Druck. "Ich denke, dass wir sehr nahe dran sind, etwas mit China zu tun, aber ich weiß nicht, ob es das ist, was ich tun möchte", sagte Trump vor der Abreise. Derzeit flössen Milliarden Dollar an Strafzöllen in die Staatskasse.
Trump wirft China unfaire Handelspraktiken, mangelnden Marktzugang, zwangsweisen Technologietransfer und Produktpiraterie vor. Bietet China nicht ausreichende Konzessionen, droht Trump mit einer Erhöhung der Zölle und einer Ausweitung auf alle Einfuhren aus China im Wert von mehr als 500 Milliarden US-Dollar. "Es ist unmöglich zu sagen, ob es beim G20-Gipfel einen Waffenstillstand oder einen Durchbruch gibt", sagte ein Beamter des Pekinger Außenministeriums. "Es kann in zwei Stunden gelöst werden - oder in zehn Tagen Verhandlungen nicht."
Die deutsche Wirtschaft warnte eindringlich vor einem Scheitern des G20-Gipfels und vor neuen Strafzöllen. Die Staaten müssen ein Zeichen gegen Protektionismus und für eine Reform der Welthandelsorganisation WTO setzen, die stark und handlungsfähig sein müsse, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf. Wenn man gegeneinander arbeite, "kostet das Wohlstand, Jobs und Aufstiegschancen - überall auf der Welt." In Deutschland hänge jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab.
Die EU befürchtet, dass Trump bald Strafzölle gegen Autobauer aus Europa verhängen könnte, die Deutschland besonders treffen würde. Es wurde erwartet, dass die Kanzlerin in ihrem Gespräch mit Trump am Freitag versucht, solche Sonderabgaben abzuwenden. Der G20 gehören die Europäische Union und 19 führende Wirtschaftsnationen an: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei und die USA./lw/ir/bk/dm/DP/she
ISIN NL0000235190
AXC0340 2018-11-29/23:47