Regensburg (ots) - Dass ausgerechnet Horst Seehofer jetzt, nach dem Abgang Angela Merkels als CDU-Vorsitzende, der Kanzlerin höchstes Lob zollt, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Der CSU-Chef schwelgt in den höchsten Tönen von Merkels riesigen strategischen und analytischen Fähigkeiten, von ihrer Standhaftigkeit und Kraft. Es ist allerdings offenbar genau dieses Anforderungsprofil, das er auch an die neugewählte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer stellt. Mit "AKK" könne die Union bei Wahlen wieder 40 Prozent erreichen, meint Seehofer. Das ist nicht nur eine enorm hohe Messlatte, die der Oberbayer der neuen Chefin der Schwesterpartei aufstellt, sondern auch eine Kritik an Merkel, unter der die Union immer weiter absackte. Kramp-Karrenbauer hat bislang zumindest bewiesen, dass sie leidenschaftlich kämpfen, dass sie Menschen für sich gewinnen und netzwerken kann. Ohne ihre wochenlange Zuhör-Tour durch die CDU-Gliederungen in 15 Bundesländern wäre ihr knapper Sieg auf dem Hamburger Parteitag kaum möglich gewesen. Doch das ist bereits Schnee von gestern. Nun jedoch steht eine politische Herkulesaufgabe vor der Neuen im Konrad-Adenauer-Haus. Sie muss der Partei, die gerade wieder die Lust am Diskutieren entdeckt hat, neues, schärferes Profil verleihen. Sie muss Vertrauen - von Mitgliedern und Wählern der CDU - zurückgewinnen. Vor allem aber wird AKK daran gemessen, ob unter ihrem Vorsitz Wahlen gewonnen werden können. Mit der Europa-Wahl im Mai und gleich vier Landtagswahlen stehen im nächsten Jahr wichtige Prüfungen an. Schneidet die Union dabei gut ab, zahlt das auch auf das Konto der neuen Parteichefin ein. Setzt sich jedoch der Abschwung der CDU fort, könnte die Zeit nach Merkel nur eine Episode namens Kramp-Karrenbauer sein. Bislang jedenfalls vermeidet es die Saarländerin weitgehend, sich deutlich von ihrer "Ziehmutter" Angela Merkel politisch-inhaltlich abzusetzen. Es gibt nur vage Andeutungen, dass Kramp-Karrenbauer etwa in der Flüchtlings- und Migrationspolitik oder bei der inneren Sicherheit einen anderen Kurs einschlagen will. Dass sie ein "Werkstattgespräch" zu diesen brisanten Themen einberufen will, dient wohl eher der innerparteilichen Befriedung statt wirklich neuer Kursbestimmung. Freilich muss AKK über kurz oder lang das Korsett, doch nur eine Mini-Merkel zu sein, abstreifen. Das kann sie auch. Die katholische Saarländerin steht den Konservativen in ihrer Partei näher, als das Merkel je konnte. Bereits der sich hochschaukelnde Streit um das Informationsverbot für Abtreibungen (Paragraf 219a des Strafgesetzbuches) könnte zu einem Lackmustest für AKK und ihren Einfluss auf die Unionsfraktion werden. Kramp-Karrenbauer und eine deutliche konservative Mehrheit sind strikt gegen eine Liberalisierung, eine Minderheit in der Union, der Koalitionspartner SPD sowie Grüne und FDP sind klar dafür. Es ist zu erwarten, dass AKK den Lebensschutz und das traditionelle christliche Familienbild viel stärker in den Mittelpunkt der CDU-Politik rücken wird, als Merkel das getan hat. Der CSU dürfte das zupass kommen. Auf der anderen Seite wird es mit der Saarländerin keine Abkehr von der bisherigen Sozialpolitik der Union geben. Eine bessere Altersvorsorge für Arbeitnehmer per Aktien, wie es Friedrich Merz empfahl, würde der bodenständigen CDU-Vorsitzenden wohl nicht im Traum einfallen. Genauso wichtig ist es jedoch, welche Antworten die "AKK-CDU" auf verbreitete Sorgen der Menschen im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Arbeitswelt, mit dem Vormarsch von Künstlicher Intelligenz und Globalisierung gibt. Mit ihrer Wahl hat Kramp-Karrenbauer auch einen riesigen Rucksack voller Aufgaben auf den Rücken geschnallt bekommen.
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