Laut einer Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) unter 16.395 Personen aus 12 EU-Ländern gaben nirgendwo so viele Menschen an, antisemitisch belästigt worden zu sein wie in Deutschland. 41 Prozent der Befragten in Deutschland gaben an, im vergangenen Jahr eine antisemitische Erfahrung gemacht zu haben, 52 Prozent in den vergangenen fünf Jahren.
Beide Werte liegen deutlich über dem EU-Schnitt (28 Prozent bzw. 39 Prozent). Felix Klein, Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung, sagte der "Bild" (Montagsausgabe): "Vor dem Hintergrund unserer Geschichte sind antisemitische Vorfälle in Deutschland ganz besonders schwerwiegend. Wir müssen alles daran setzen, diese traurige Spitzenreiterposition wieder loszuwerden." Weiter verzichten 75 Prozent der befragten Juden in Deutschland - manchmal, häufig oder immer - auf das Tragen jüdischer Symbole in der Öffentlichkeit.
46 Prozent der Juden in Deutschland vermeiden es, gewisse Gegenden in ihrer Umgebung aufzusuchen. "Dass als Juden erkennbare Menschen aus Angst vor Anfeindungen gewisse Gegenden nicht mehr betreten wollen, halte ich für alarmierend", so Klein. Die Ergebnisse der Umfrage stehen im Widerspruch zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). 2017 erfasste die PKS 1.504 antisemitische Straftaten und ordnete 94 Prozent dem rechten Spektrum zu.
Nur fünf Prozent der Taten sollen einen muslimischen Hintergrund haben. Der FRA-Umfrage zufolge gaben 41 Prozent der befragten Juden in Deutschland an, dass die Täter einen muslimischen Hintergrund hatten. Andere politische Tätergruppen wurden seltener genannt - Rechte mit 20 Prozent und Linke mit 16 Prozent. Auch Klein äußert Zweifel an der Zuordnung der Straftaten: "Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik werden etwa 5 Prozent der antisemitischen Straftaten von Muslimen begangen. Wir müssen dieser großen Abweichung zu den Angaben von Juden zu antisemitischen Erfahrungen nachgehen."
Die FRA-Umfrage ist zweite ihrer Art, die die Erfahrungen von Juden mit Antisemitismus in der EU untersucht. An der Umfrage nahmen 16.395 Personen aus 12 EU-Ländern teil, die insgesamt 96Prozent der jüdischen Bevölkerung in der Europäischen Union abdecken. Der Bericht zur ersten FRA-Studie zu Antisemitismus in Europa wurde 2013 veröffentlicht.