Bielefeld (ots) - Hört der Mensch von Dingen, die zum ersten Mal gelingen, applaudiert er. Er hat das schon getan, als sein Nachbar das Rad erfand, als einer den ersten Bazillus besiegte und natürlich auch, als sich Neil Armstrong ein neunstufiges Leiterchen hinunter hangelte. Applaus! Ein Reflex. Vielleicht ein Relikt aus jenen fernen Zeiten des Überlebenskampfes, als der Erfolg des Individuums noch der großen Gruppe nützte. Okay: China hat jetzt eine Sonde - die erste! Applaus! - auf der Rückseite des Mondes gelandet. Nun werden aber die Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, immer zahlreicher und immer globaler, und so haben wir seit der Erfindung des Rades noch ein paar Reflexe entwickelt. Zum Beispiel den, pfui zu rufen, wenn Milliarden Euro oder Dollar oder Yüan ins All geschossen werden, statt den Hunger hier unten zu bekämpfen und intelligente Lösungen für das Klimaproblem zu entwickeln. Das ist nachvollziehbar, gerade wenn wir uns die Bilder von Chinas smogverseuchten Megastädten und dem Elend seiner Landbevölkerung vor Augen führen. Nun aber mal eine Frage: Was an der Rückseite des Mondes ist so viel interessanter als seine erdzugewandte Hälfte? Die Frage ist natürlich eine rhetorische, denn so viel wissen auch Chinas Wissenschaftler inzwischen über den Mond: nur Geröll und Staub und ein Tröpfchen vereistes Wasser. Vorne. Hinten auch. Dass China dort hinten jetzt Gemüse anbauen will, ist nur skurril. Damit erklärt sich Chinas Mondmission von alleine: Es ist ein Propagandasignal. Eines an die Welt, gewiss, viel eher aber eines an die eigene Bevölkerung. Je mehr Chinesen in den Genuss eines höheren Lebensstandards kommen, desto schwieriger wird es für die Parteiführung, ihre eigene Existenz zu legitimieren. Das ist ja keine neue Erkenntnis: Der wirtschaftlich prosperierenden Diktatur, die ihre Untertanen - noch - zu pazifizieren versteht, stehen die sozialen Kämpfe, die Europa im 19. Jahrhundert erschütterten, noch bevor. Einstweilen aber mag so ein Rover hinterm Mond Peking gute Dienste tun. Und jeder Yüan, den Peking in Machtdemonstrationen auf dem Mond steckt, fehlt beim Bau von Sturmgewehren, Flugzeugträgern und Atomraketen. Das kann uns nur recht sein.
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