Berlin (ots) - Kurzform: Niemand ist Cyberkriminellen hilflos ausgeliefert. Aber ein Facebook-Account ist vor Einbrüchen weniger geschützt als das eigene Wohnzimmer. Wichtige Programme auf den Computer lassen sich heute häufig nicht nur per Passwort schützen, sondern etwa zusätzlich per SMS-Code auf das Handy. Verschlüsselte Chatprogramme wie Threema oder Signal sind gute Alternativen zu WhatsApp. Diese Werkzeuge müssen Nutzer in ihren digitalen Alltag integrieren. Zugleich sind Anbieter von IT-Technik und Software in der Pflicht, ihren Kunden mehr anzubieten als den Schutz mit sechs Buchstaben und "mindestens einer Zahl". Der beste Schutz vor Datenmissbrauch ist allerdings vor allem einer: Verbreiten Sie so wenige Daten wie möglich - und nur so viele wie nötig.
Der vollständige Leitartikel: Wir haben ziemliches Glück gehabt. Diesmal. Der Warnschuss kam aus einem Kinderzimmer. Nicht professionelle Hackergruppen, nicht organisierte Kriminelle klauten, kauften, sammelten und veröffentlichten Daten von fast 1000 Politikern und Prominenten, sondern ein 20 Jahre junger Mann, der noch bei den Eltern lebt, viel Zeit hat und ein wenig Geschick. Ein "Skriptkiddie", so nennt die Hacker-Szene diese Heranwachsenden. Er machte es den Ermittlern leicht - brachte seinen Computer, den er vor dem Zugriff der Polizei entsorgen wollte, zum Wertstoffhof. Sondermüll: Elektro. Ermittler mussten den Computer nur aus dem Container fischen. Was wir in diesen ersten Tagen 2019 erlebt haben, war kein riesiger "Hackerangriff", kein Cyber-Super-GAU - die Anzahl der Daten, die vor allem über Twitter veröffentlicht wurden, waren gering im Vergleich zum Alltag der Cyberkriminalität. Im Sommer meldete die Airline British Airways: Hacker erbeuten Daten von 380.000 Kunden, die mit Kreditkarte zahlten. Beim Fahrdienst-Vermittler Uber sollen Kriminelle 2016 fast 60 Millionen Kundendaten gestohlen haben. Im vergangenen November hackten sich Cyberkriminelle in die IT der Hotelkette Marriott - und hatten Zugriff auf Daten von bis zu 500 Millionen Gästen. Das zeigt die Dimensionen, die Cyberkriminalität angenommen hat. Manche sagen sogar, es sei diesmal ein Skandal aufgebauscht worden, nur weil Politiker betroffen waren - und nicht Frau Müller oder Herr Yilmaz aus Berlin-Treptow. Und doch: Der Datenklau des 20-Jährigen war alles andere als harmlos. Erstens, noch prüfen Ermittler, ob der Mann politisch motiviert war. Folgt der Täter einer rechtsextremen Ideologie - und lockt er so Nachahmer der Szene zu weiteren Taten gegen politische Gegner? Zweitens, Abgeordnete sind besonders schützenswert. Sie zählen in einer Demokratie zur "kritischen Infrastruktur" wie ein Krankenhaus im Gesundheitssystem. Doch der Schutz dieser Politiker hat nicht funktioniert. Die Sicherheitsbehörden haben aus den Anzeigen von mindestens acht Abgeordneten den koordinierten Datenklau nicht erkennen können und gingen von Einzelfällen aus - bis der Täter längst massenhaft private Chatprotokolle, Handynummern und E-Mailadressen in die Welt gesetzt hatte. Hier müssen Polizei und Cyberabwehrbehörden Strategien entwickeln: mehr beraten, sich untereinander besser vernetzen, mehr Experten anheuern. Drittens, der Datenklau offenbarte, wie nachlässig jeder Einzelne von uns mit dem Schutz eines hohen Guts umgeht: unserer private Kommunikation. Stellen Sie sich vor, jeder zweite EC-Karten-Besitzer bekäme das Passwort "1234" - niemand würde das hinnehmen. Zu Recht. Niemand ist Cyberkriminellen hilflos ausgeliefert. Aber ein Facebook-Account ist vor Einbrüchen weniger geschützt als das eigene Wohnzimmer. Wichtige Programme auf den Computer lassen sich heute häufig nicht nur per Passwort schützen, sondern etwa zusätzlich per SMS-Code auf das Handy. Verschlüsselte Chatprogramme wie Threema oder Signal sind gute Alternativen zu WhatsApp. Diese Werkzeuge müssen Nutzer in ihren digitalen Alltag integrieren. Zugleich sind Anbieter von IT-Technik und Software in der Pflicht, ihren Kunden mehr anzubieten als den Schutz mit sechs Buchstaben und "mindestens einer Zahl". Der beste Schutz vor Datenmissbrauch ist allerdings vor allem einer: Verbreiten Sie so wenige Daten wie möglich - und nur so viele wie nötig.
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Der vollständige Leitartikel: Wir haben ziemliches Glück gehabt. Diesmal. Der Warnschuss kam aus einem Kinderzimmer. Nicht professionelle Hackergruppen, nicht organisierte Kriminelle klauten, kauften, sammelten und veröffentlichten Daten von fast 1000 Politikern und Prominenten, sondern ein 20 Jahre junger Mann, der noch bei den Eltern lebt, viel Zeit hat und ein wenig Geschick. Ein "Skriptkiddie", so nennt die Hacker-Szene diese Heranwachsenden. Er machte es den Ermittlern leicht - brachte seinen Computer, den er vor dem Zugriff der Polizei entsorgen wollte, zum Wertstoffhof. Sondermüll: Elektro. Ermittler mussten den Computer nur aus dem Container fischen. Was wir in diesen ersten Tagen 2019 erlebt haben, war kein riesiger "Hackerangriff", kein Cyber-Super-GAU - die Anzahl der Daten, die vor allem über Twitter veröffentlicht wurden, waren gering im Vergleich zum Alltag der Cyberkriminalität. Im Sommer meldete die Airline British Airways: Hacker erbeuten Daten von 380.000 Kunden, die mit Kreditkarte zahlten. Beim Fahrdienst-Vermittler Uber sollen Kriminelle 2016 fast 60 Millionen Kundendaten gestohlen haben. Im vergangenen November hackten sich Cyberkriminelle in die IT der Hotelkette Marriott - und hatten Zugriff auf Daten von bis zu 500 Millionen Gästen. Das zeigt die Dimensionen, die Cyberkriminalität angenommen hat. Manche sagen sogar, es sei diesmal ein Skandal aufgebauscht worden, nur weil Politiker betroffen waren - und nicht Frau Müller oder Herr Yilmaz aus Berlin-Treptow. Und doch: Der Datenklau des 20-Jährigen war alles andere als harmlos. Erstens, noch prüfen Ermittler, ob der Mann politisch motiviert war. Folgt der Täter einer rechtsextremen Ideologie - und lockt er so Nachahmer der Szene zu weiteren Taten gegen politische Gegner? Zweitens, Abgeordnete sind besonders schützenswert. Sie zählen in einer Demokratie zur "kritischen Infrastruktur" wie ein Krankenhaus im Gesundheitssystem. Doch der Schutz dieser Politiker hat nicht funktioniert. Die Sicherheitsbehörden haben aus den Anzeigen von mindestens acht Abgeordneten den koordinierten Datenklau nicht erkennen können und gingen von Einzelfällen aus - bis der Täter längst massenhaft private Chatprotokolle, Handynummern und E-Mailadressen in die Welt gesetzt hatte. Hier müssen Polizei und Cyberabwehrbehörden Strategien entwickeln: mehr beraten, sich untereinander besser vernetzen, mehr Experten anheuern. Drittens, der Datenklau offenbarte, wie nachlässig jeder Einzelne von uns mit dem Schutz eines hohen Guts umgeht: unserer private Kommunikation. Stellen Sie sich vor, jeder zweite EC-Karten-Besitzer bekäme das Passwort "1234" - niemand würde das hinnehmen. Zu Recht. Niemand ist Cyberkriminellen hilflos ausgeliefert. Aber ein Facebook-Account ist vor Einbrüchen weniger geschützt als das eigene Wohnzimmer. Wichtige Programme auf den Computer lassen sich heute häufig nicht nur per Passwort schützen, sondern etwa zusätzlich per SMS-Code auf das Handy. Verschlüsselte Chatprogramme wie Threema oder Signal sind gute Alternativen zu WhatsApp. Diese Werkzeuge müssen Nutzer in ihren digitalen Alltag integrieren. Zugleich sind Anbieter von IT-Technik und Software in der Pflicht, ihren Kunden mehr anzubieten als den Schutz mit sechs Buchstaben und "mindestens einer Zahl". Der beste Schutz vor Datenmissbrauch ist allerdings vor allem einer: Verbreiten Sie so wenige Daten wie möglich - und nur so viele wie nötig.
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