Bielefeld (ots) - Seinen Abgang hat Elmar Brok perfekt inszeniert. Nach der unerwarteten Niederlage im CDU-Landesvorstand, die auch heute noch als politischer Unfall anzusehen ist, hat sich Mister Europa zwei Wochen lang von allen Seiten - vor allem auch aus anderen Parteien - loben und sagen lassen, dass die EU in diesen Krisenzeiten auf ihn nicht verzichten könne. Nicht auf seine Erfahrung, nicht auf seine Kontakte, nicht auf seine Kompromissfähigkeit. All das hört auch ein Politiker gerne, der seit fast 40 Jahren in Brüssel und Straßburg Abgeordneter ist und schon an die europäische Idee geglaubt hat, als die EU noch EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) hieß. Aber die vielen Komplimente haben den 72-Jährigen nicht dazu bewogen, sich in das Risiko einer Kampfkandidatur zu begeben. Seine Chancen standen gut, aber ein Rest an Unwägbarkeit blieb. So eine Versammlung mit 250 Delegierten aus acht verschiedenen Regionen Nordrhein-Westfalens kann eine ganz eigene Dynamik entwickeln. Eine Niederlage, ob knapp oder deutlich, wollte er sich nicht mehr antun. Und sein Netzwerk und seine Expertise bleiben ja erhalten - auch ohne das Mandat. Was die CDU-Granden von Rhein und Ruhr im NRW-Landesvorstand mit dem Ostwestfalen veranstaltet haben, zeigt leider, dass die Politik das schmutzige Geschäft sein kann, für das viele Bürger sie halten. Wenn einige der acht CDU-Bezirksvorsitzenden gegenüber ihrem NRW-Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten Armin Laschet die Muskeln spielen lassen, indem sie seinen Kandidaten durchfallen lassen, dann ist es um die NRW-CDU nicht gut bestellt. Und so langsam sollten alle, die sich den Sauerländer Friedrich Merz aus sehr guten Gründen an der Spitze der Partei gewünscht hätten, damit aufhören, Laschet für seine diskutable Rolle bei der Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers zur CDU-Chefin abstrafen zu wollen. Die OWL-CDU muss alles dafür tun, dass die Region in Brüssel vertreten bleibt. Auf einen Ansprechpartner und Türöffner können Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und andere Verbände nicht verzichten. In dieser Situation geht es nicht darum, wer aus OWL ins Europaparlament einziehen könnte, sondern dass überhaupt jemand die Interessen der Region auf EU-Ebene vertritt. Und dazu muss die CDU-Kandidatin am Samstag auf Listenplatz sechs gewählt werden. Dass die CDU eine Frau aufstellen möchte, ist nach Broks Verzicht taktisch klug und erhöht die Chancen. Und niemand würde erwarten, dass eine neue Europaabgeordnete auf Anhieb wie Brok funktioniert. Nicht jeder ist ersetzbar. Zumindest nicht sofort.
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