Der internationale Strafrichter Christoph Flügge, der neun Jahre lang am Jugoslawien-Tribunal in Den Haag tätig war, wirft sein Amt hin. In der Wochenzeitung "Die Zeit" begründete der deutsche Richter seinen Rücktritt mit der "Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit mit Hilfe der Vereinten Nationen".
Als Beispiel nannte Flügge die Entlassung einer seiner Richterkollegen. "Der Türke Aydin Sefa Akay, wurde entlassen, nur weil die türkische Regierung ihn weg haben wollte." Akay wurde von der Türkei vorgeworfen, eine App auf sein Handy geladen zu haben, die angeblich auch Aktivisten der Gülen-Bewegung benutzt hätten. Die Gülen-Bewegung wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch gegen Erdogan im Jahr 2016 verantwortlich gemacht.
Flügge wirft den Vereinten Nationen vor, die Türkei für ihr fadenscheiniges Manöver auch noch belohnt zu haben, indem sie im vergangenen Dezember einen Nachfolger für den abgesetzten Richter benannten, der von der Türkei als ihr Favorit vorgeschlagen worden war. "Die diplomatische Welt hat offenbar keine Vorstellung davon, was eine unabhängige Justiz wert ist", so Flügge. "Das ist alarmierend." Beunruhigt ist Flügge außerdem wegen des bosnisch-serbischen Angeklagten Radovan Karadžic, der unter anderem für das Massaker von Srebrenica im Jahr 1995 verantwortlich gemacht wird. Nach seiner Verurteilung in Den Haag ist Karadžic in die Berufung gegangen und hat bereits mehrere Richter durch Befangenheitsanträge aus dem Verfahren gedrängt.
"Ich höre von Opferverbänden auf dem Balkan, dass sie deswegen tief besorgt sind", sagte Flügge über einen möglichen Freispruch für Karadžic. Das Urteil wird in wenigen Monaten erwartet.