Regensburg (ots) - Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis. Anders als bei ihrem ziemlich einsamen Atomausstieg, unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima vor acht Jahren, hat Kanzlerin Angela Merkel vor den Ausstieg aus der Braunkohle eine Kommission gesetzt. Das bunt zusammengesetzte Gremium aus Energiewirtschaft, Gewerkschaften, Umweltverbänden, Bund und Ländern soll zumindest den Pfad für den Weg aus der Kohleverstromung in Deutschland vorzeichnen. Dieser Arbeitskreis ist allerdings weniger der Unfähigkeit der Politik geschuldet, selbst den Kurs vorzugeben, sondern hat vielmehr mit der richtigen Erkenntnis zu tun, dass solch einschneidende Entscheidungen von einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden müssen. Freilich kommt einem das Wort Kohleausstieg flott über die Lippen. Die Konsequenzen, wirtschaftliche, technische, soziale Veränderungen, die mit einem solchen Vorhaben verbunden sind, sind jedoch gewaltig. Legt man die Ziele zugrunde, die mit dem Abschied von der Kohleverstromung verbunden werden, wird klar: das kommt in etwa der Quadratur des Kreises gleich. Und die ist, mathematisch betrachtet, unmöglich. Es soll dem Klimaschutz, der Versorgungssicherheit, sozialer Sicherheit in den Braunkohlerevieren am Rhein sowie in Sachsen und Brandenburg genauso Genüge getan werden wie der Bezahlbarkeit des Stroms in der Zukunft. Die Crux ist, dass jede dieser Interessen zwar berechtigt und auch in der Kommission vertreten ist, doch vollständige Einmütigkeit herzustellen, wird nicht möglich sein. Es kann immer nur um verkraftbare Kompromisse gehen, bei denen keine der Seiten völlig ins Hintertreffen gerät. Es geht um weniger CO2-Ausstoß, aber zugleich um bezahlbaren Strom zu jeder Tages- und Nachtzeit. Auch wenn dereinst alle Kohlekraftwerke abgeschaltet sein werden, die heute noch bis zur Hälfte - vor allem die wichtige Grundlast - des Stroms liefern. Zugleich brauchen die Kohleregionen Alternativen für die wegfallenden Jobs und Unternehmen. Sie brauchen Neuansiedlungen, Umschulung und Fortbildung sowie Sozialpläne für ältere Kumpel, die vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden müssen. Der Strukturumbau im Oberpfälzer Braunkohlerevier zu Beginn der 80er Jahre oder der mit vielen Milliarden bezahlte Abschied von der Steinkohle machen die großen Herausforderungen deutlich, die jetzt anstehen. Aus derzeit noch prosperierenden Energieregionen dürfen jedenfalls keine abgehängten Gebiete werden, sondern sollten im Gegenteil Hotspots für erneuerbare Energien, für Dienstleistungen und Digitalisierung entstehen. Hier ist vorausschauende Industriepolitik gefragt, auch wenn sich der Staat, Bund und Länder davor nach Möglichkeit drücken. Allein mit den Kräften des Marktes sind solche gewaltigen Veränderungen nicht zu bewerkstelligen. Es sei denn, man nimmt Verwerfungen, grobe Fehlentwicklungen in Kauf. Aber wer will das schon? Die Politik wäre gut beraten, wenn sie sich für einen "atmenden Kohleausstieg" entscheiden würde. Sie sollte Zielkorridore vorgeben und sich nicht zur Festlegung von symbolträchtigen Terminen hinreißen lassen, etwa von Stichtagen für das Auslaufen des letzten Tagebaus oder die Abschaltung des letzten Kraftwerkblocks. Solche am grünen Tisch festgelegten Szenarien blamieren sich regelmäßig an der harten Realität, an künftigen energietechnischen Entwicklungen, am Zuwachs von erneubaren Energien, vor allem ihrer Speicherung, sowie an höherer Energieeffizienz. All das ist ebenfalls enorm wichtig, wird derzeit aber eher stiefmütterlich behandelt. Zugleich sind das Zukunftsthemen, um die man sich in den Noch-Braunkohleregionen kümmern könnte.
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