Bielefeld (ots) - Die Zeichen mehren sich, dass der Endlos-Aufschwung in Deutschland seinem Ende entgegengeht. »Die fetten Jahre sind vorbei«, hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz dazu schon vor Wochen vorsorglich zu Protokoll gegeben. Genützt hat es wenig - vor allem bei den eigenen Genossen. Die SPD versucht sich selbst zu retten, in dem sie konsequent auf eine Anti-Agenda-2010-Agenda einschwenkt. Und das könnte teuer werden. Hubertus Heil scheint dabei ein Coup gelungen zu sein. In wohlkalkulierter Überbietung dessen, was im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU vereinbart ist, hat der Arbeitsminister sein Konzept einer Grundrente vorgestellt. Vorerst ohne Finanzierungsplan, versteht sich. Die Idee klingt so überzeugend wie der Name: »Respekt-Rente«. Respekt vor und für eine Lebensleistung - wer im Ernst wollte das all jenen fleißigen Putzkräften, Friseurinnen und anderen Niedriglöhnern verweigern? Auch rhetorisch ist Heils Idee genial: Denn wer die »Respekt-Rente« kritisiert, könnte sich selbst der Respektlosigkeit verdächtig machen. Und in der Tat ist jeder Rentner, der in Mülleimern nach ein paar Pfandflaschen suchen muss, weil seine Rente nicht zum Leben reicht, einer zu viel. Das ist wahrlich entwürdigend. Nicht entwürdigend ist hingegen die Frage nach der Bedürftigkeit. Diese Frage muss der Sozialstaat nicht nur stellen dürfen, er muss sie sogar stellen. Denn die Hilfe der Allgemeinheit darf nur jenen Menschen zukommen, die sie auch wirklich benötigen. Wenn Heil also auf die Bedürftigkeitsprüfung verzichten will, setzt er jenen gesellschaftlichen Zusammenhalt zwischen Leistungserbringern und Leistungsempfängern aufs Spiel, den er gerade stärken will. Zugleich nimmt er Mitnahmeeffekte und die Benachteiligung all derer in Kauf, die es nicht ganz auf 35 Beitragsjahre bringen. Zudem wäre seine »Respekt-Rente« die endgültige Abkehr vom Äquivalenzprinzip, wonach derjenige, der mehr Beiträge einbezahlt hat, auch mehr Rente herausbekommt. Dennoch darf man gespannt sein, ob die CDU/CSU ihre konsequente Ablehnung des Heil-Plans durchhält. Glaubt man nämlich ersten Umfragen, so findet die »Respekt-Rente« durchaus großen Zuspruch in der Bevölkerung. Und auch die CDU schaut mit bangem Blick auf die drei Landtagswahlen im Osten, wo die Menschen sehr viel stärker auf die gesetzliche Rente angewiesen sind, weil hier Betriebsrenten und private Altersvorsorge historisch bedingt kaum eine Rolle spielen. Zudem wäre es nicht das erste Mal, dass die Große Koalition ein milliardenteures Projekt beschließt, das wenig zielgenau ist und neue Ungerechtigkeiten schafft. Und dass dies gerade in der Rentenpolitik der falsche Weg ist, hat schon bei der Finanzierung der Mütterrente und bei der Rente mit 63 niemanden sonderlich gestört.
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