Berlin (ots) - Kurzform: Wenn 80 Prozent der europäischen Juden sagen, Angriffe auf sie seien von "mutmaßlich muslimischen" Tätern ausgegangen, ist das kein Schuss vor den Bug, sondern trifft den Maschinenraum, die Grundfesten unserer Republik. Wer aber anspricht, dass seit 2015 Judenhasser aus dem arabischen Raum eingewandert sind, macht sich vielfach einer rechten Gesinnung verdächtig. Es heißt dann: Nein, Antisemitismus gäbe es schon immer. Und das ist richtig, aber ein reichlich schwaches Argument, neue Formen nicht konsequent zu benennen, sie mit allen Mitteln des Rechtsstaats zu verfolgen. Noch wichtiger: Das ehrliche Ansprechen des tief verankerten, israelbezogenen Antisemitismus vieler Araber wäre ihrer Integration förderlich. Nur wer ein Problem benennt, kann es lösen - im Sinne und für das angstfreie Zusammenleben aller.
Der vollständige Leitartikel: Wenn ein Mensch in Deutschland antisemitisch angegriffen wird, sind Politiker schnell - und richtigerweise! - dabei, diese Tat scharf zu verurteilen. Man denke an den Angriff auf den jungen Israeli Adam A. im April 2018. Ein ebenso junger arabischer Geflüchteter verprügelte ihn in Prenzlauer Berg voller Hass mit seinem Gürtel - nur weil er eine Kippa trug. Die Berliner Landespolitik zeigte sich ehrlich betroffen, selbst die Bundeskanzlerin verurteilte den Fall. Nur welche Konsequenzen werden gezogen? Judenhass nimmt zu in Berlin, in Deutschland, ja, in ganz Europa. Laut einer Studie vom Dezember 2018 gaben 41 Prozent der deutschen Juden an, im Vorjahr antisemitische Erfahrungen gemacht zu haben. 75 Prozent verzichteten manchmal oder immer auf das Tragen jüdischer Symbole wie Davidstern oder Kippa. Auch ein Blick auf die Berliner Kriminalstatistik zeigt einen drastischen Anstieg der judenfeindlichen Gewalttaten: Von sieben im Jahr 2017 stieg ihre Zahl auf 27 in 2018. Fakten, die wie Blei auf unseren Schultern lasten sollten. Der Berliner Senat hat auch deshalb als erste deutsche Landesregierung eine Antisemitismusbeauftragte bei der Staatsanwaltschaft eingerichtet. Ihre Aufgabe ist auch, Vertrauen herzustellen in der Jüdischen Gemeinde. Denn viele Juden zeigen Gewalt gegen sie nicht einmal an. Der Grund: Es passiere sowieso nichts. Tatsächlich zeigen die Zahlen für Berlin, dass die Justiz oft zahnlos ist im Kampf gegen Judenhass. Nur 15 Prozent der Verfahren landeten im vergangenen Jahr auch vor Gericht. Das zeigt zweierlei: Erstens kann der Kampf gegen Antisemitismus nicht allein Aufgabe der Justiz sein - Judenhass findet oft unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit statt. Zweitens: Eine ehrliche, gesamtgesellschaftliche Debatte über die Gründe des Anstiegs antisemitischer Gewalt ist unabdingbar. Berlin muss also nicht nur seine Justiz sensibilisieren. Antisemitismus müsste ab dem ersten Schultag bekämpft werden - gerade in Deutschland. Eine präventiv wirkende Antisemitismusbeauftragte könnte zum Beispiel dafür sorgen, dass Lehrer es nicht länger weglächeln, wenn ein Kind "Du Jude" als Schimpfwort benutzt. Sie müssten einschreiten. Das Thema dürfte dann in Schulbüchern nicht mehr ausschließlich im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus stattfinden. Die verstärkten muslimisch-arabischen und aus dem linken Lager kommenden Anfeindungen würden deutlich angesprochen. Denn wer Judenhass bekämpfen will, muss sagen, wie vielfältig er sich heute manifestiert - nämlich nicht nur von rechts. Unter angeblich linken und liberalen Berlinern ist die Unterstützung für die antisemitische Bewegung BDS (Boykott, Divestment and Sanctions) weit verbreitet. Ihre Anhänger boykottieren Israel, ihre geistigen Führer wollen den jüdischen Staat vernichten. Wenn 80 Prozent der europäischen Juden sagen, Angriffe auf sie seien von "mutmaßlich muslimischen" Tätern ausgegangen, ist das kein Schuss vor den Bug, sondern trifft den Maschinenraum, die Grundfesten unserer Republik. Wer aber anspricht, dass seit 2015 Judenhasser aus dem arabischen Raum eingewandert sind, macht sich vielfach einer rechten Gesinnung verdächtig. Es heißt dann: Nein, Antisemitismus gäbe es schon immer. Und das ist richtig, aber ein reichlich schwaches Argument, neue Formen nicht konsequent zu benennen, sie mit allen Mitteln des Rechtsstaats zu verfolgen. Noch wichtiger: Das ehrliche Ansprechen des tief verankerten, israelbezogenen Antisemitismus vieler Araber wäre ihrer Integration förderlich. Nur wer ein Problem benennt, kann es lösen - im Sinne und für das angstfreie Zusammenleben aller.
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