Die geringe Rückgriffquote auf Unterhaltspflichtige seit der Ausweitung des staatlichen Unterhaltsvorschusses stößt bei Familienpolitikern auf scharfe Kritik. Die Rückgriffquote müsse "schleunigst und konsequent" angepackt werden, sagte der CDU-Familienpolitiker Marcus Weinberg der "Welt" (Donnerstagsausgabe).
"Es kann nicht sein, dass es auch Mütter oder Väter gibt, die sich einfach aus ihrer Pflicht stehlen und den Staat für sich einspringen lassen. Wer die finanziellen Möglichkeiten hat, muss für die anfallenden Unterhaltskosten aufkommen", so Weinberg weiter. Nach Angaben des Familienministeriums ist die Zahl der anspruchsberechtigten Kinder nach der Ausweitung des Unterhaltsvorschusses 2017 um 370.000 auf 780.000 gestiegen. Insgesamt seien 2018 2,1 Milliarden Euro für den Unterhaltsvorschuss ausgegeben worden.
Nur 13 Prozent davon hätten anschließend bei den Unterhaltspflichtigen wieder eingetrieben werden können. "Vielerorts sind die Behörden personell nicht ausreichend ausgestattet, um die gestiegene Anzahl der Anträge zu bearbeiten und geleisteten Unterhaltsvorschuss wieder einzutreiben", sagte Katja Dörner, familienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Interessant sei aber, dass in Bundesländern mit einer relativ hohen Rückgriffquote hierfür nicht die Jugendämter zuständig seien, sondern die Finanzämter. "Wichtig ist sicherzustellen, dass die Ebene, die den Rückgriff organisiert und umsetzt, auch von den Einnahmen profitiert", so die Grünen-Politikerin weiter.
Daher müssten die Behörden künftig besser kooperieren. "Unterhalt nicht zu zahlen darf nicht als Kavaliersdelikt gelten", sagte Dörner der "Welt". Der FDP-Familienpolitiker Grigorios Aggelidis kritisierte, dass die Regierung es versäumt habe, verlässliche Daten zur Zahlungsfähigkeit aufzubauen. "Der Aufbau entsprechender Strukturen für die nötige Kontrolle hätte bereits im Vorfeld stattfinden müssen. Leider hat sich die GroKo wieder nur auf das Marketing konzentriert und den erforderlichen Aufwand ihrer Entscheidung offensichtlich ignoriert", so der FDP-Politiker.
Der Obmann der AfD im Familienausschuss, Martin Reichardt, kritisierte, ohne eine seriöse Analyse sei es schwer, Maßnahmen einzuleiten. "Bis heute ist die Bundesregierung in diesem Bereich untätig gewesen und stellt ohne belegbares Datenmaterial Unterhaltspflichtige, meist Männer, an den Pranger", so der AfD-Politiker. Den von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ins Spiel gebrachten Vorschlag eines Fahrverbotes für Unterhaltsschuldner nannte er "populistisch und nicht durchdacht".
Zusätzliche und härtere Sanktionen könnten die Situation der unterhaltspflichtigen Eltern sogar noch verschärfen, gab SPD-Familienpolitiker Sönke Rix zu bedenken. Für die meisten getrennt lebenden Eltern sei es selbstverständlich, dass sie zur Sicherung des Unterhalts des Kindes beitragen. Junge Familien mit Kindern hätten in der Regel aber keine hohen Einkommen. "Wenn dann noch eine Trennung hinzukommt, verschärft sich die Situation nochmals - unter anderem durch zusätzliche Wohn-, Mobilitäts- und Umgangskosten", sagte Rix der "Welt".
Wo nichts sei, könne man auch nichts zurückholen. Die Politik sei jetzt gefragt, die Bedingungen für einen partnerschaftlichen und respektvollen Umgang der Eltern auch nach einer Trennung zu schaffen, forderte der SPD-Politiker. "Denn der ist gut für die Kinder, und nebenbei verbessert er auch die Zahlungsmoral der Väter. Oft wollen sie sich aktiv an der Kindererziehung und -betreuung beteiligen und nicht nur als Unterhaltszahler gefragt sein", so Rix weiter.