Regensburg (ots) - Mit erstaunlichem Gleichmut reagieren Europas Entscheidungsträger auf das Chaos in London. Die Regierung könnte den Brexit jederzeit absagen, das hat jüngst das oberste Europäische Gericht bestätigt. Selbst nach einem Austritt würden die Europäer die Nachbarn jenseits des Kanals laut eigenem Bekunden mit offenen Armen wieder aufnehmen. Und auch für eine mögliche Fristverlängerung wird freundliches Entgegenkommen signalisiert. Natürlich fällt es aus der Position der Stärke heraus leicht, großzügig zu sein. Es wäre zwar weder den Briten noch uns zu wünschen, dass der Brexit aus Rat- und Planlosigkeit heraus abgesagt wird. Denn dann hätte man es in Zukunft mit einer politischen Elite und einer Wählerschaft zu tun, die widerwillig und mangels einer überzeugenden Alternative in der EU verbleibt. Der chronische Neinsager und ewige Blockierer säße weiterhin mit am Tisch. Besser für alle Beteiligten wäre es, wenn das Land ein paar Jahre lang eigene Wege ginge und dann vielleicht aus echter Überzeugung in den europäischen Club zurückkehrte. Eine großzügige Fristverlängerung, wie sie jetzt im Raum steht, sollte die EU hingegen nicht gewähren. Die in der EU verbleibenden Regierungen und die EU-Kommission sollten schließlich nicht vergessen, dass sie ihrerseits mit fetten Problemen zu kämpfen haben. Eins davon ist der prognostizierte Aufstieg EU-feindlicher Parteien bei der Europawahl. Die Lage in London ist so verfahren, dass in ein bis zwei zusätzlichen Monaten der gordische Knoten ganz sicher nicht durchschlagen werden kann. Ende Mai aber steht unverrückbar das Wahldatum fest. Und da macht es dann schon einen großen Unterschied, ob die Briten noch dabei sind oder nicht. Als eines der größten Mitgliedsländer stellen sie bislang 73 der insgesamt 751 Parlamentssitze. Würde Großbritannien wie geplant Ende März die Union verlassen, könnten die Abgeordneten in Ruhe ihre Sachen packen und in die vorgezogene Sommerpause entschwinden. 27 der freiwerdenden Sitze würden an Länder verteilt, die bislang zu kurz gekommen sind. 46 Sitze würden als stille Reserve für kommende Erweiterungsrunden einbehalten. Spezialisten für Europarecht sind sich einig, dass allerspätestens drei Monate danach, zur ersten Sitzung des neuen Parlaments, die Briten die EU verlassen haben müssen. Würde der Austritt noch weiter ins Jahr hinein verschoben, müsste Großbritannien seine 73 Sitze zurückbekommen und eine Wahl zum Europaparlament abhalten. Die Wähler hätten für derartige juristische Spitzfindigkeiten vermutlich wenig Verständnis. Wer geht schon zur Wahl, wenn er damit nur eine Formalie erfüllt? Und welcher Politiker stellt sich auf so kurzen Abruf zur Verfügung? Ein klarer Schnitt zum rechten Zeitpunkt wäre für alle Seiten die beste Lösung. Im neuen Parlament wird es auch ohne diese zusätzliche Verwicklung kompliziert genug werden, proeuropäische Mehrheiten zu organisieren und Gesetzesverfahren über die Bühne zu bringen. Die stillschweigende "große Koalition" zwischen Sozialisten und Konservativen, die über viele Jahre für einen reibungslosen Ablauf sorgte, wird laut den Prognosen nicht noch einmal zustande kommen. Das könnte die parlamentarische Demokratie auf EU-Ebene einerseits beleben. Andererseits lässt sich schon in der nun zu Ende gehenden Legislatur beobachten, wie viel Sand Abgeordnete ins Getriebe werfen können, deren einziges Ziel es ist, die europäische Demokratie ad absurdum zu führen. Große Meisterschaft entwickelten darin gerade die schlecht erzogenen Kindsköpfe von der britischen Unabhängigkeitspartei. Ihnen wird in Brüssel und Straßburg niemand eine Träne nachweinen.
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