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BERLIN (dpa-AFX) - Aus Protest gegen die geplante Reform des Urheberrechts sind in Deutschland und anderen europäischen Ländern mehrere tausend Menschen auf die Straße gegangen. Drei Tage vor der entscheidenden Abstimmung im Europaparlament verlangten sie vor allem die Streichung des Artikels 13, wonach Plattformen wie YouTube künftig für Urheberrechtsverletzungen haften sollen. Sie sollen in Zukunft schon beim Hochladen überprüfen, ob Inhalte geschütztes Material enthalten. Kritiker befürchten, dass dies nur über automatisierte Filter möglich ist, was einer Zensur gleichkommen könnte.
In Deutschland gab es im Laufe des Tages Demonstrationen in zahlreichen Städten - mal größer, mal kleiner. Auf Transparenten hieß es vielerorts: "Wir sind keine Bots", also: keine automatisierten Computerprogramme. Eine der größten Protestaktionen startete in Berlin, wo sich mehrere tausend Menschen auf dem Potsdamer Platz im Stadtzentrum versammelten. Am Nachmittag wollten sie an der deutschen Wikipedia-Zentrale vorbei zum Brandenburger Tor ziehen.
Unterstützung bekamen die Demonstranten von SPD: Ein Europakonvent der Partei beschloss in Berlin, sich gegen die umstrittenen Filter zu stemmen. Die Delegierten plädierten bei einer Gegenstimme dafür, Anträge der SPD-Gruppe im Europaparlament zu unterstützen, die auf eine Verhinderung von Uploadfiltern zielen. Die SPD stehe zwar an der Seite der Urheber, Kreativen und Künstler, doch setze man sich auch für die Freiheitsrechte in digitaler Zeit ein. Statt Videos und Musik herauszufiltern, sollten sie gemäß des Urheberrechts bezahlt werden.
In der SPD geht man davon aus, dass die eigenen Abgeordneten bei der Abstimmung am Dienstag geschlossen Nein zu Artikel 13 sagen. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, rief die Union dazu auf, diesem Weg zu folgen: "Wir halten Uploadfilter für den falschen Weg."
Deutschland hatte der Reform auf europäischer Ebene mit Einverständnis von Justizministerin Barley zugestimmt. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte zuletzt: "Frau Barley hat ihre Position immer deutlich gemacht, aber natürlich ist klar, dass man in einer Kabinettsdisziplin ist, dass auch die Bundeskanzlerin Druck gemacht hat, dass Artikel 13 kommt."
Die Grünen halten neue Verhandlungen für einen möglichen Ausweg. Urheber müssten an der Wertschöpfung ihrer Werke in der digitalen Welt angemessen beteiligt werden, aber dabei dürften keine Hürden für freien Meinungsaustausch und Informationsfluss entstehen, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur.
Der FDP-Politiker Jimmy Schulz warnte: "Uploadfilter wären der Grundstein für eine europaweite Zensurinfrastruktur und würden die Meinungsfreiheit einschränken." Linken-Chef Bernd Riexinger twitterte: "Die geplanten Uploadfilter nützen nur den Großkonzernen. Ohne massiven Druck vieler Menschen wird diese Bundesregierung an ihrer Zustimmung gar nichts ändern."
Am Dienstag soll das Europaparlament über die Copyright-Reform abstimmen. Sie soll das veraltete Urheberrecht in der EU an das Internet-Zeitalter anpassen. Unterhändler des EU-Parlaments und der EU-Staaten hatten sich Mitte Februar auf einen Kompromiss verständigt. Er sieht unter anderem ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage sowie - in Artikel 13, der in der aktuellen Version des Gesetzestextes nun der Artikel 17 ist - deutlich mehr Pflichten zum Urheberrechtsschutz für Plattformen wie YouTube vor.
Kritiker fürchten, dass Plattformen wie YouTube den Vorgaben nur nachkommen können, wenn sie Uploadfilter einsetzen, mit denen sie beim Hochladen prüfen können, ob Bilder, Videos oder Musik urheberrechtlich geschützt sind. Dies führe zu Zensur, weil die Filter auch legale Inhalte wie Zitate, Parodien oder Satire blockten.
Rund 260 Verlage, Zeitungen, Nachrichtenagenturen, Rundfunk-Anbieter, Produktionsfirmen und Medienschaffende, darunter auch die Deutsche Presse-Agentur, hatten dagegen zur Unterstützung der Reform aufgerufen. Sie forderten "eine faire Beteiligung am Geschäft mit den Inhalten, um damit ein reichhaltiges und vielfältiges Internet zu sichern, in dem Information und Kultur ihren festen Platz haben".
Auch EU-Kommissionsvize Frans Timmermans verteidigte das Vorhaben. Es sei nicht gerecht, wenn nur Konzerne wie etwa Google mit geistigem Eigentum Gewinne machten, sagte er den Funke-Zeitungen. "Daher versuchen wir, das über europäische Gesetzgebung zu regeln. Wir müssen Künstlerinnen und Künstler schützen."
Der CDU-Europapolitiker Axel Voss, der den vorliegenden Kompromiss für das Parlament federführend mit den EU-Staaten ausgehandelt hatte, bekräftigte, es sei letztlich Aufgabe der Unternehmen, wie sie die Vorgabe umsetzten. "Hier geht es um knallharte wirtschaftliche Interessen der großen Plattformen, die dem einzelnen Bürger vermitteln, die Freiheit des Internets sei in Gefahr", sagte er der "Rheinischen Post". "Das stimmt jedoch nicht. Dem einzelnen wird nichts genommen."/wn/DP/zb
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