Bielefeld (ots) - Als am Montag Notre-Dame brannte und es zeitweise so aussah, als könnte die gesamte Kathedrale ein Opfer der Flammen werden, da sangen die Menschen in den Straßen der französischen Hauptstadt gemeinsam. Ein »Ave Maria« für ein Gotteshaus - womöglich ist es um das Christentum doch nicht so schlecht bestellt, wie man es im Frühjahr 2019 glauben mag - zumindest mit Blick auf weite Teile Westeuropas. Gewiss, die Anziehungskraft einer Kirche ist nicht zu verwechseln mit der Anziehungskraft eines Glaubens, aber es war schon ein Zeichen, was da angesichts der drohenden Katastrophe in den Pariser Nachthimmel gesendet wurde. Und ebenfalls ein Zeichen ist, was seither an Hilfs- und Spendenbereitschaft aus aller Welt zurückkam. Wille und Wunsch sind unübersehbar: Eines Tages soll Notre-Dame wieder im alten Glanz erstrahlen - mag auch der Wiederaufbau nicht einfach werden. Eine Allegorie auf die Situation der Glaubensgemeinschaft, die in dieser Kirche einen ihren weltweit wichtigsten Orte sieht? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist Notre-Dame - dieser Touristen-Hotspot im Herzen Frankreichs - einfach nur genauso säkularisiert wie unser gesamtes Leben. Und höchstwahrscheinlich hat diese Geschichte vom drohenden Untergang samt der Hoffnung auf Auferstehung so gar nichts mit der Osterbotschaft zu tun. Notre-Dame hätte ja auch in jeder anderen Woche in Brand geraten können - dass es nun ausgerechnet in der Karwoche passierte, ist ein purer Zufall. Zufall gewiss, aber doch ein durchaus sinnfälliger. Ostern mag das höchste Fest der Christenheit sein, an die Bedeutung von Weihnachten jedoch reicht es in der allgemeinen Wahrnehmung nicht heran. Denn da sind eben auch der Verrat und das Leiden, die Kreuzigung und der Tod. Nein, Ostern bleibt allein mit dem Geschehen des Karfreitags im Vergleich zu Weihnachten ein eher sperriges Fest - Qualen und Sterben eines Gottessohnes eignen sich nun mal weit weniger zur Verkitschung als die Geburt eines Heilands. Apropos Verkitschung: »Mich erinnern die Freitagsdemos ein wenig an die biblische Szene vom Einzug Jesu in Jerusalem«, hat Berlins Bischof Heiner Koch jüngst in einem Radiobeitrag über die weltweite Verehrung für die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg gesagt. Das hat ihm prompt den Vorwurf eingebracht, Greta mit Jesus zu vergleichen. Koch allerdings rechtfertigte sich, er hätte nur daran erinnern wollen, »dass unsere Gesellschaft und auch unsere Kirche von Zeit zu Zeit echte Propheten braucht, die auf Missstände und Fehlentwicklungen hinweisen und Lösungswege vorschlagen«. Und damit hat der Gottesmann zweifellos Recht. Zufälle und Zeichen, alte und neue Propheten - denken Sie ruhig mal drüber nach. Zeit genug sollte ja sein. Frohe Ostern!
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